1. KAPITEL
Goldenes Licht strahlte von der hohen Decke herab, doch Melissa nahm es kaum wahr. Selbst ein Palast verblasste zur Bedeutungslosigkeit im Vergleich mit dem Wissen, dass der Augenblick gekommen war.
Endlich.
Manchmal schien es, als wäre ihr ganzes Leben auf diesen einen Moment ausgerichtet gewesen. Jenem Moment, in dem sie den kleinen Plastikstreifen in den zitternden Fingern gehalten und auf den blauen Punkt gestarrt hatte, der ihre Schwangerschaft bestätigte.
In diesem Augenblick hatte sich die Welt, wie Melissa sie kannte, komplett verändert.
„Hast du mich überhaupt gehört, Melissa?“ Stephens Stimme holte sie jäh aus ihren Gedanken zurück. „Ich sagte, der Fürst wird dich gleich empfangen.“
„Ja, natürlich habe ich gehört.“ Mit klopfendem Herzen warf sie einen kurzen Blick in einen der großen Spiegel, die im Vorzimmer zum Audienzraum des Palastes von Zaffirinthos hingen. Sie war nicht eitel, für Eitelkeit war in ihrem Leben kein Platz, selbst dann nicht, wenn ihr Aussehen die Rechtfertigung dafür geliefert hätte. Nein, mit ihrem Äußeren würde sie niemanden zu Begeisterungsstürmen hinreißen. Aber eine Audienz beim Fürsten …
Dem Fürsten, der Vater ihres Sohnes war.
Wohl zum hundertsten Male richtete sie sich das lange dichte Haar und hoffte, dass sie besser aussah, als sie sich fühlte. Denn sie wollte den bestmöglichen Eindruck machen. Cristiano sollte sehen, dass sie etwas wert war – dass sie es wert war, die Mutter seines Kindes zu sein.
Mit feuchten Handflächen strich sie sich das neu erstandene Leinenkleid glatt. „Wie sehe ich aus?“, fragte sie Stephen nervös.
Er warf ihr einen kurzen Blick zu, bevor er sich wieder auf das Clipboard in seinen Händen konzentrierte. „Gut. Dir ist schon klar, dass er nicht einmal bemerken wird, was du anhast, oder? Das tun Aristokraten nie. Wir sind angeheuert worden, gehören somit zur Dienerschaft – sozusagen zum Inventar. Und damit haben wir ungefähr den gleichen Status wie die Tapete an der Wand.“
„Tapete, also“, wiederholte sie tonlos.
„Richtig, Tapete. Wir gehören zum Hintergrund, zur Umgebung. Von dir will er nur knappe Informationen für den heutigen Ball. Den genauen Ablauf habe ich ihm schon unterbreitet, aber da du die Blumenarrangements und das Orchester organisiert hast, will er mit dir persönlich sprechen. Aus Höflichkeit, um dir zu danken. Also, denk dran – halte es kurz und bündig, und rede nur, wenn du gefragt wirst.“
„Das ist mir klar.“ Sie hielt inne. „Ich bin dem Fürsten schon einmal begegnet.“
Stephen sah mit gerunzelter Stirn auf. „Wann?“
Warum hatte sie das jetzt gesagt? Etwa, um den Weg für die Verwirklichung des Traumes zu ebnen, den sie schon so lange träumte? Nämlich, dass Cristiano ohne Zögern Ben als seinen Sohn und Erben anerkennen würde. Damit sie endlich stolz den Namen von Bens Vater preisgeben konnte, anstatt bei der Frage verlegen an der Lippe zu kauen und zu antworten, dass sie lieber nicht darüber sprechen würde.
Das Problem war nur, ein solches Traumszenario war eben nicht mehr als das – ein Traum. Der Fürst würde alles andere als begeistert sein, wenn sie die Bombe platzen ließ, vor allem, da die Frau seines jüngeren Bruders gerade erst einen Sohn zur Welt gebracht hatte. Die internationale Presse hatte die Geburt des Erben auf den Thron des märchenhaft schönen Fürstentums im Mittelmeer gefeiert. Nur wusste Melissa, dass es so nicht stimmte. Denn Ben war der wahre Thronerbe.
Sie räusperte sich. „Damals bei der Ausstellung von Zaffirinthos’ Schätzen in London. Cristiano kam zu der Feier am Abend. Erinnerst du dich nicht?“
„Sicher erinnere ich mich. Du hast damals mitgeholfen, Kanapees anzubieten. Aber Mel, mal ehrlich … ich bezweifle, dass du mehr zu ihm gesagt hast als: ‚Noch ein Hors d’œuvre, Hoheit?‘ Meinst du, daran erinnert er sich noch?“
Melissa lächelte nur nervös. Natürlich war es ihrem Chef nicht aufgefallen. Zwischen der Assistenti