Ein aufregender Tag
›Ich habe mich wieder auf die Straße geschmissen. Wer wird mich diesmal lieben und auffangen?‹, fragte die innere Stimme. Emilys Blick schweifte weit in die Ferne. Sie liebte neue, unbekannte Orte mit ihren Geheimnissen und ihrem Zauber. Sie war knapp dreißig und schon viel gereist. Immer, wenn die Lage unerträglich wurde und sie keinen Ausweg mehr sah, machte sie einen radikalen Schnitt und schlug einen neuen Weg ein. So zwang sie ein neues Leben herbei.
Nun war es wieder so weit. Ihre Liebe zu einem verheirateten Hollywood-Autor war – wie nicht anders zu erwarten – bitter enttäuscht worden, und sie suchte nach einem Ausweg. Ihre schöne Schwester Helen, die ihrerseits eine gescheiterte Ehe verarbeiten musste, schlug eine kleine Reise nach Shanghai vor, ins Sündenbabel des Fernen Ostens, wo Engländer, Franzosen und Amerikaner florierende Konzessionen errichtet hatten und ein Leben in Saus und Braus führten. Im Jahr 1935 war das allerdings keine Kleinigkeit. Man reiste per Schiff, und mitten auf dem Pazifik, tausend Meilen von der kalifornischen Küste entfernt, erklärte ihnen der Kapitän derChichibu Maru, dass er durchaus nicht die Absicht habe, Shanghai anzulaufen. Er setzte sie in einem japanischen Hafen ab, und die beiden Schwestern verbrachten drei ungeplante, doch bezaubernde Wochen auf der Kirschblüteninsel. Von den japanischen Bombenflugzeugen, Kriegsschiffen, Soldaten und Panzern sahen sie nichts, sondern trafen nur höfliche Zivilisten und ihre schweigsamen, schönen Frauen.
Ihre Ankunft in China erfolgte im Morgengrauen auf einem schmuddeligen kleinen Postdampfer, und das schrille, quirlige Shanghai war zunächst eine große Enttäuschung. Emily – ihre Famili