1957
München, 15.3.1957
Sehr unbequem fuhr ich die Nacht durch und ging in München gleich zur Akademie, ein alter, verfallener Palast, innen modern. Wenn ich eine Bescheinigung, aus der hervorgeht, dass ich in Hamburg die Probezeit bestanden habe, beibringe, brauche ich die Aufnahmeprüfung nicht zu machen. Ich schreibe heute noch deswegen.
26.4.57 München
Ankunft in München um halb elf. Diesmal hatte ich Liegewagen. Warmer, sonniger Frühlingstag. Bei der Vermieterin Enttäuschung: Sie hatte die Bude, die ich vor 6 Wochen gemietet hatte, noch mal vermietet. Die Alte ist vielleicht geschäftstüchtig. Ein Kitschmaler mit einem blauen Auge wohnt da jetzt drin, sie gab mir aber was anderes. Spaziergang im Englischen Garten. Es dämmerte, der Bach rauschte, während am Himmel ein von der Abendsonne beschienenes Flugzeug kreiste. Am nächsten Tag in einigen Galerien, Riemenschneider, Manzù, Fuhr. Abends in den »Fahrraddieben«1, später durch Schwabing gebummelt.
30.4.57
Erster Tag der Aufnahmeprüfung. Aktzeichnen. Der Professor sah mir über die Schulter und sagte: Das ist zu barock.
Nachmittags Besuch bei Dr. Graßmann, dem Freund meiner Eltern, um meine Hemden abzuholen. Er spricht von der bayerischen Monarchie, erst durch die Heirat mit preußischen Prinzessinnen sei sie dekadent geworden. Später ging’s um Michelangelo. Ich sagte, ja, ja, aber der war auch mal Avantgardist, und wer die alte Kunst wirklich schätzt, versteht auch die neue, weil er darin vieles wiederentdeckt.
Sonnabend, 4.5.57
Prüfung bestanden.
HP Zimmer
Entkleidung Christi nach El Greco 1957
Öl auf Leinwand 50 × 33 cm
7.5.57
Zum ersten Mal in der Malklasse von Glette, einem noblen Mann mit grauen Schläfen. Sehr missgestimmt, als ich die zu malenden Töpfe, Krüge und Schüsseln mit Orangen sah. Die Schüler hatten die Orangen aufgegessen und nur die verschrumpelten Schalen übriggelassen.
Abends Klee gelesen, das Pädagogische Skizzenbuch.
Morgens mache ich mir in der Küche etwas Wasser