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Seine Füße bestanden aus verfluchtem Beton.
Sein Herz auch.
Wer die Neugeborenen-Intensivstation besuchen wollte, sollte keine verdammte Parkgebühr zahlen müssen. So jemand sollte fürgar nichts zahlen müssen. Ein menschliches Wesen, das nicht mehr wog als eine verdammte Hauskatze, kämpfte in einem verdammten Plastikkasten um sein Leben, an Gott weiß wie viele Elektroden und Monitore angeschlossen, und man berechnete ihm eine Gebühr, damit er das winzige Mädchen sehen konnte. Man würde ihm sogar in Rechnung stellen, dass sie dortbleiben konnte und man sie am Leben erhielt.
Und was, wenn er nicht zahlen konnte?
Würde man einem Kind, das erst einen Monat lebte, den Stecker ziehen?
Dieses Land war so was von am Arsch!
Man musste zahlen, um leben zu dürfen. Um am Leben erhalten zu werden.
Der hippokratische Eid bedeutete einen Scheißdreck.
Man wurde nur gerettet, wenn man es sich leisten konnte.
Aber Gott sei Dank konnte er zahlen.
Dina hatte als Rechtsanwältin genug Geld verdient, damit es Sophie an nichts fehlen würde.
Außer an ihrer Mutter.
Sie würde nach ihrer Mutter verlangen.
Sie würde ihre Mutter brauchen.
Fuck.
Und Aaron brauchte seine Schwester.
Trauer hielt ihn umfangen, grub ihre scharfen Krallen in jede Körperzelle und schüttelte ihn wie eine Flickenpuppe. Er schlug mit den Fäusten aufs Lenkrad und schrie aus vollem Hals, bis ihm Tränen über die Wangen liefen und ihm die Kehle wehtat.
Wie?
Wie hatte das nur passieren können?
Er hatte vor nicht einmal zwei Tagen mit Dina telefoniert, auf dem Rückweg von der Hochzeit eines Freundes, die ausgerechnet im Südpazifik hatte stattfinden müssen, voller Vorfreude darauf, Sophie endlich wiederzusehen. Dina hatte ihm gesagt, dass man die Kleine in Kürze vom Beatmungsgerät befreien wollte und dass sie sie, wenn der Blutzucker stabil bliebe und sie selbstständig atmete, schon bald nach Hause mitnehmen könnten.
Nach Hause. In Dinas Wohnung.
In das Kinderzimmer, mit dessen Einrichtung seine Schwester Stunden zugebracht hatte. Wo das Kinderbettchen, das er für seine Nichte gebaut hatte, darauf wartete, dass sie darin schlief.
Das Heim, das seine Schwester für ein Kind geschaffen hatte, nach dem sie sich ihr ganzes Leben gesehnt hatte, bis sie sich schließlich entschied, es allein zu bekommen, weil ihre Uhr tickte und sie den richtigen Mann noch nicht gefunden hatte.
Sie hatten Sophie gemeinsam großziehen wollen.
Sie würde die Mutter sein, die beste Mutter der Welt, und er der coole Onkel, der seine Nichte nach Strich und Faden verwöhnte. Er würde ihr das erste Tutu kaufen und für ihre ersten Reitstunden, ihr erstes Handy und ihr erstes Auto aufkommen. Und er würde der tätowierte Türsteher sein, der jeden Jungen zum Teufel jagte, der mit seiner kostbaren Sophie anzubandeln ver