zaroni, inbrünstig zu beten scheint, so ist auf das »scheint« ein besonderer Nachdruck zu legen, denn in Wahrheit verursacht eifriges Tabakkauen jene Bewegung seines nicht eben kleinen Mundes, welche man wohl so auslegen könnte, als murmele er Gebete für seine und seiner Mitmenschen Seele.
Des Alltags genügt es dem frommen alten Lazzaroni, vor dem Tor des Heiligtums zu sitzen, sonntags aber jedoch hält es ihn nicht mehr draußen, er schleppt sich die Stufen empor – Beppo zeichnet sich nämlich vor den vielen Lahmen Neapels dadurch aus, daß er wirklich auf einem Fuße hinkt – und verrichtet in der Kathedrale aufs eifrigste seine Andachtsübungen.
Doch auch hier müssen wir leider gestehen, daß der heuchlerische Greis nicht in dem Maße seinen Christenpflichten genügt, wie es den Anschein hat, denn seine kleinen, stechenden Augen schweifen unter den buschigen Augbrauen in der ganzen Kirche umher, während über seine wettergebräunten Züge hie und da ein inniges Lächeln der Befriedigung gleitet.
Der alte Sünder verfolgt hier auf geweihtem Boden seine kleinen, sehr profanen Nebengeschäfte, welche darin bestehen, Liebschaften zu vermitteln, und eben jetzt schaut er umher mit dem erhebenden Gefühl, an seinem Teile beigetragen zu haben zu den Annäherungen, die hie und da stattfinden, zu den Worten oder Blicken, die bald schüchterner, bald kühner gewechselt werden.
Bei dem innigen Vergnügen, welches der alte Beppo daran hat, zarte Rosenketten zu schmieden, muß es uns wundernehmen, daß er seine Enkelin Marietta nicht schon längst unter die Haube gebracht hat.
Daß ihm dies jedoch sein eigenes Interesse verbietet, werden wir sofort sehen, wenn wir Beppo, dessen Andacht beendet ist, an seinen gewöhnlichen Platz zurückbegleiten und darauf unsere Blicke nach der anderen Seite der großen Kirchenpforte richten, wo ein junges Mädchen hinter einem Tischchen steht, das mit Blumen und Kränzen bedeckt ist.
Marietta ist ein reizendes Kind von siebzehn Jahren, mit einem Paar großer dunkler Augen, dunklem Teint und einem dicken, rabenschwarzen Zopf, eine echte Neapolitanerin. Sie ist ganz ohne Zweifel das schönste Blumenmädchen Neapels und vom Morgen bis zum Abend von jungen und alten Herrn umlagert, welche jedoch Beppo während seiner scheinbaren Gebetübungen aufs genaueste und eifersüchtigste mustert.
Sein ganz besonderes Augenmerk hat der Alte in den letzten Tagen auf einen jungen Fremden gerichtet, der sich dem schönen Blumenmädchen in auffallender Weise genähert.
Beppo beehrt jeden, der auch nur im entferntesten die Absicht zeigt, ihn seiner Enkelin, seines Kleinods, zu berauben, mit seinem innigsten Hasse. So ist es natürlich, daß jener fremde junge Herr den tiefsten Unwillen des alten Lazzaroni erregt hat.
Heute erblickt Beppo denselben jedoch nicht unter den zahlreichen Flaneurs, welche der schönen Marietta unter vielen Komplimenten und mehr oder weniger faden Schmeicheleien kolossale Mengen von Blumen abkaufen, und schon wendet er das Auge befriedigt ab, da sieht er den Gesuchten gerade vor sich stehen.
Ohne ein Wort zu sagen, spuckt der Alte kräftig aus.
»Guten Morgen, alter Beppo!« beginnt der junge Mann.
Beppo schweigt.
»Wie geht es Euch, Beppo?«
Beppo schweigt.
»Ein sehr schöner Morgen, nicht?«
Zugleich reicht der Fremde dem Alten die Hand, vermutlich jedoch nicht die leere Hand, denn dieser Händedruck übt eine merkwürdige Wirkung auf Beppo aus.
»Ein sehr schöner Morgen«, entgegnet er freundlich grinsend.
»Beppo, ich möchte mich verheiraten, und Ihr müßt mir behilflich sein.«
Das Grinsen auf dem Gesicht des Alten wird noch freundlicher. Der Gedanke, in diesem Falle den lästigen Anbeter seiner Enkelin für immer loszuwerden, erfreut sein Herz.
»Ich stehe Ihnen