: Reinhard Mohr
: Deutschland zwischen Größenwahn und Selbstverleugnung Warum es keine Mitte mehr gibt
: Europa Verlag GmbH& Co. KG
: 9783958904002
: 1
: CHF 11.50
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: Politik
: German
: 160
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Suche der Deutschen nach ihrer Identität ist geradezu sprichwörtlich. Immer wieder kommt es zum Streit über Begriffe wie Nation, Heimat und Leitkultur. Trotz aller historischen Veränderungen ist das Selbstbewusstsein der Deutschen immer noch von Extremen geprägt und schwankt zwischen moralischem Größenwahn und peinlicher Selbstverleugnung. Dazu kommt, dass die mediale Empörungskultur einseitige Sichtweisen fördert. Vor lauter Rassismus, Sexismus, Rechtsextremismus und Nationalismus erkennt manch braver Bürger sein eigenes Land nicht wieder. Für die bundesdeutsche Demokratie sind das bedrohliche Entwicklungen. Ohne eine vernunftgeleitete Wahrnehmung der Wirklichkeit verliert sie ihr Fundament. Reinhard Mohr beschreibt eindrucksvoll, warum es uns immer noch an republikanischem Selbstbewusstsein mangelt. Im Zentrum steht die Frage: Wo ist - zwischen AfD und Antifa - eigentlich die politische Mitte geblieben? Wofür stehen CDU, CSU und SPD? Angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl sind diese Fragen dringlicher denn je.

Reinhard Mohr, Jahrgang 1955, studierte Soziologie mit Diplom-Abschluss an der Johann-Wolfgang-Goethe-Univer ität in Frankfurt am Main. Von 1979 bis 1982 war er dort AStA-Vorsitzender, später Redakteur der Sponti-Zeitschrift 'Pflasterstrand'. Er arbeitete u.a. für die 'taz' und die 'FAZ', war von 1996 bis 2004 Redakteur des Nachrichtenmagazins Der Spiegel, dann Autor des 'Stern'. Daneben schrieb er Kabaretttexte für Michael Quast und Matthias Beltz sowie mehrere Bücher, darunter 'Zaungäste' (1992), 'Das Deutschlandgefühl' (2005), 'Meide Deinen Nächsten' (2010) und 'Bin ich jetzt reaktionär? Bekenntnisse eines Altlinken' (2013). Mohr lebt in Berlin Prenzlauer Berg und schreibt als freier Journalist vor allem für 'Welt am Sonntag' und 'NZZ'.

VORWORT


Die Suche der Deutschen nach sich selbst, nach ihrer Identität, nach dem Woher und Wohin ist notorisch, geradezu sprichwörtlich.

In seinem Buch »Lauter letzte Tage« stellte der Autor Friedrich Sieburg, einst selbst vor extremistischen Anfechtungen nicht gefeit, 1961 fest, Deutschland schwanke stets»zwischen Macht und Ohnmacht, zwischen Not und Überfluss, zwischen Übermut und Reue« – »Hochmut und Zerknirschung« –, »oft beiden Extremen zur gleichen Zeit hingegeben«. So lebe »es seit eh und je, niemals zu einer natürlichen Klarheit über sich selbst gelangend …«

Englands legendärer Premierminister Winston Churchill sah die Deutschen entweder »an der Gurgel« ihrer Feinde oder zu ihren Füßen. Unterwürfigkeit und Heldenmut, Kleingeistigkeit und Großmachtstreben, philosophische Grübelei und mörderische Effizienz – es gibt viele Aspekte jener deutschen Zerrissenheit, unter der schon Heinrich Heine und Kurt Tucholsky litten. »Deutschland, aber wo liegt es?«, fragte Friedrich Schiller 1796 in seinen »Xenien«. »Ich weiß das Land nicht zu finden. Wo das gelehrte beginnt, hört das politische auf.« Damals bestand das, was man im weitesten Sinne Deutschland nennen konnte, aus etwa 300 Königreichen, Fürstentümern, Kleinstaaten und Grafschaften, die lose miteinander verbunden waren, aber jeweils eigene Zölle erhoben und teils eigene Währungen hatten. Ein irrer Flickenteppich.

Die faustische Frage, was die Deutschen im Innersten zusammenhält, ist weltberühmt, aber bis heute unbeantwortet. Berüchtigt jene »Innerlichkeit«, für die es keine Übersetzung in andere Sprachen gibt. Begriffe wie Gemüt, wahre Empfindung und innere Natur gehören ebenso zu ihr wie der Luther’sche Protestantismus der einsamen Gewissenserforschung, der deutsche Idealismu