: Saskia Noort
: Bonuskind
: Europa Verlag GmbH& Co. KG
: 9783958903920
: 1
: CHF 11.50
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 266
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die 15-jährige Lies wacht eines Morgens mit dem starken Gefühl auf, dass ihrer Mutter Jet etwas passiert ist. Ihr Bett ist unberührt, sie hat ihr Handy zurückgelassen und sie bleibt spurlos verschwunden. Der Vater - in einer neuen Beziehung mit der jüngeren Laure lebend - deutet die kommentarlose Abwesenheit seiner Ex als einen willkommenen Beweis ihrer psychischen Instabilität und ihrer Unfähigkeit, sich um die Kinder zu kümmern. Sie hätte die Scheidung niemals überwunden und beschlossen, zu verschwinden. Lies ist sich jedoch sicher, dass die Mutter sie niemals im Stich gelassen hätte. Auf eigene Faust versucht sie herauszufinden, was passiert ist. Dabei findet sie ein Tagebuch mit beunruhigenden Details aus dem Liebesleben der Mutter: Auf der Suche nach Trost, nachdem ihr Mann sie für eine Jüngere verlassen hat, hatte sich Jet im Labyrinth einer geheimen toxischen Beziehung verfangen. Wird Lies die Wahrheit über das unheimliche Verschwinden ihrer Mutter aufdecken und damit die Erklärungen der Erwachsenen Lügen strafen? Klug konstruierte Geschichte mit einem mehr als erstaunlichen Ende. Entführt den Leser in den Gefühls- und Gedankenkosmos einer unabhängig denkenden Jugendlichen, die sich als die Erwachsenste in dieser Ansammlung voller über sich selbst und das Leben stolpernder Charaktere erweist. Ein Buch über die Mechanismen scheiternder Beziehungen, über die Schwierigkeit der Erwachsenen mit der Wahrheit und vor allem eine mitreißende Coming-of-Age-Geschichte.

Saskia Noort, geb. 1967, ist eine niederländische Krimi-Autorin, Journalistin und Kolumnistin. Sie studierte Journalismus und Theaterwissenschaft in Utrecht. Gleich ihre ersten beiden 2003 und 2009 erschienenen Kriminalromane waren höchst erfolgreich, wurden verfilmt sowie für den niederländischen Krimipreis 'Gouden Strop' nominiert. Seither gilt Noort als die 'niederländische Königin der Spannung'. Ihre Bücher erreichen regelmäßig Bestsellerauflagen und werden in viele Sprachen übersetzt. Noort hat einen Sohn und eine Tochter und lebt in Amsterdam.

1.


Jeden Morgen wache ich davon auf, dass meine Mutter das Radio einschaltet. Sie kann Stille nicht leiden. Aber heute bleibt alles ruhig, das ist seltsam. Ich schaue auf mein Handy. 71 Nachrichten. Von ihr keine einzige. Dafür eine von Pap.

»Schlaf gut, liebe Liesie. Ich vermisse euch.«

Es ist neun Uhr, und mein Magen knurrt.

Sie geht natürlich mit Wammes Gassi.

Ich stehe auf, angle mit den Zehen nach meinen Tigerpantoffeln und schlüpfe in den Morgenmantel, ebenfalls Tigerdruck. Er knistert beim Tragen. Synthetisch wie Hölle.

Das Zimmer meines Bruders ist leer. Ich gehe hinunter ins Erdgeschoss. Luuk sitzt im Pyjama auf dem Sofa, Kopfhörer auf den Ohren und in der Hand seinen Game Boy. Er riecht nach Kuchen.

Ich nehme ihm die Kopfhörer ab.

»Mann, Lies, blöde Kuh!«

»Du bist so erbärmlich. Ist Mam mit Wammes spazieren?«

»Woher soll ich das wissen. Selber erbärmlich!«

Die Gardinen sind noch zugezogen. Auf dem Tisch neben ihrem Laptop sehe ich ein Glas Rotwein und einen Aschenbecher mit einer halb gerauchten Zigarette. Mam raucht schon seit Jahren nicht mehr. Behauptet sie wenigstens. Vielleicht hatte sie Besuch von jemandem. Aber dann stünden hier zwei Gläser. Ich höre Wammes, er springt gegen die Spülküchentür und kratzt. Ich befreie ihn und werde mit begeisterten Freudensprüngen und Fiepsern belohnt.

»Ja! Wo ist denn die Mama, hm?«

Wammes und ich gehen querfeldein. Ich trage Mams Jogginganzug, er lag am Fußende ihres Betts. Ich habe an den Kissen und am Betttuch gerochen, ob sie dort geschlafen hat. Ich glaube schon. Ich weiß nicht, ob ich mich gerade besonders anstelle. Das sagt sie oft: Stell dich nicht so an! Und dass ich zu viel Fantasie hätte. Wenn ich nachher nach Hause komme, ist der Tisch gedeckt und sie hat Croissants geholt. Oder vielleicht hat sie gestern irgendwann gesagt, sie müsste ganz früh arbeiten gehen, und ich hab’s vergessen. Aber ihr Auto steht vor dem Haus, und ihr Fahrrad lehnt am Zaun. Sehr weit weg kann sie nicht sein. Ich drücke ihre Nummer. Sie hebt nicht ab.

Es ist kalt, wolkenlose