1. KAPITEL
„Ich dachte schon, Sie würden sich verspäten“, meinte seine persönliche Assistentin, als Roman O’Hagan in den leeren Konferenzraum geschlendert kam.
„Ich weiß nicht, ob ich das jemals erwähnt habe, Alice, aber Sie legen gesteigerten Wert auf Pünktlichkeit“, entgegnete Roman, schlüpfte aus seinem Jackett und hängte es über eine Stuhllehne. „Und falls es Ihnen entfallen sein sollte – ich bin hier der Boss und kann es mir daher erlauben, zu spät zu kommen.“
Alice, die seit vier Jahren für ihn arbeitete und sich nicht daran erinnern konnte, dass er sich in dieser Zeit jemals verspätet hatte, stellte einen Becher Kaffee vor ihn auf die polierte Platte des Konferenztisches.
„Also gut,Boss. Ich habe es geschafft, uns auf den Flug um halb fünf nach Dublin zu buchen.“
„Ausgezeichnet.“ Er ließ sich auf den ledernen Drehsessel fallen und streckte seine langen Beine genüsslich aus, ehe er mit einer Grimasse hinzufügte: „Was man von diesem Kaffee nicht behaupten kann! Was haben Sie nur damit angestellt?“ Er blickte misstrauisch auf die hellbraune Flüssigkeit in seinem Becher.
„Der ist entkoffeiniert, und falls esIhnen entfallen sein sollte, so ist Kaffeekochen nicht meine Aufgabe. Ich tue es nur, weil ich so nett bin.“
„Da hab ich aber Glück“, erwiderte Roman sarkastisch.
„Allerdings.“ Alice hielt an der Tür inne. „Ihr Bruder hat übrigens angerufen.“
„Hat er eine Nachricht hinterlassen?“
„Nicht für Sie.“
Roman hob seine dunklen Augenbrauen ob dieser Bemerkung. Er war sich hundertprozentig sicher, dass sein Bruder Luca der Grund dafür war, dass seine Assistentin in den vergangenen Monaten eine ganze Kleidergröße abgenommen hatte.
Es fiel ihm immer schwerer, taktvoll zu schweigen und sie nicht darauf hinzuweisen, dass sein Bruder nicht gerade zu den heiratswilligen Männern gehörte.
„Er hat gesagt, dass er noch mal anruft.“
Die Telefonkonferenz begann wirklich gut, verflachte aber zusehends, nachdem der zweite Sprecher das Wort ergriffen hatte.
Wie ist es nur möglich, dass jemand so lange redet und dabei absolut nichts sagt?
Roman unterbrach den ausschweifenden Wortschwall mit einer Zwischenfrage. Die Antwort war jedoch noch umständlicher und bestätigte die Vermutung, dass dieser hoch bezahlte Topmanager weder das Problem erkannt noch die nötige Recherchen unternommen hatte.
„Sie glauben also, dass der europäische Markt bereit ist für ein Projekt dieser …“ Bevor er die Frage zu Ende formulieren konnte, wurde er von einer Frauenstimme unterbrochen, einer tiefen, leicht rauchigen, sehr attraktiven Frauenstimme.
„Entschuldigen Sie bitte, aber spreche ich mit Mr. O’Hagan?“
„Wer ist das?“
„Einem Mr.Roman O’Hagan?“
„Wie in aller Welt …? Das hier ist eine private …“
„Ich versuche, einen Mr. O’Hagan zu erreichen. Könnten Sie mir sagen, mit