2. KAPITEL
Chiara wiegte sich auf der Tanzfläche zu einer alten Discomelodie. Sie war von einem Dutzend anderer Gäste umgeben und doch zum Glück allein. Vorhin hatte sie viele Fotos mit verschiedenen Leuten gemacht. Deshalb drängte sich ihr jetzt niemand mehr auf, während sie ein letztes Mal die Party auf sich wirken ließ, die sie schon längst hätte verlassen sollen.
Normalerweise blieb sie nur kurz auf solchen Events. Einen ganzen Abend war ihr sonst höchstens die Met-Gala wert. Aber eine Zusammenkunft, die ein Rancher in Montana abhielt, um auf sehr offensichtliche Weise dem Skandal um Alonzo Salazars Buch entgegenzuwirken?
Sie hätte nach fünfzig Minuten wieder gehen sollen, nachdem ihre Spionagemission in Miles Riveras Arbeitszimmer gescheitert war. Überhaupt war sie nur hergekommen, um etwas über Zach herauszufinden. Und doch war sie geblieben. Der Grund dafür war ihr Gastgeber. Das wusste sie, weil sie sich dabei ertappte, nach ihm Ausschau zu halten.
Wie dumm von mir.
Verärgert über sich selbst, weil ein Mann, der sie für oberflächlich hielt, sie so neugierig machte, wollte sie gerade die Tanzfläche verlassen, als Miles erneut auf der Bildfläche erschien. Seine Gegenwart schien die Luft elektrisch aufzuladen.
Einen Moment lang bemerkte er sie nicht, weil er etwas auf seinem Handy las. Sie nutzte die Gelegenheit, ihn heimlich in aller Ruhe zu mustern, und fragte sich, was genau an ihm sie so faszinierte. Sein unglaublich durchtrainierter Körper? Dank seiner breiten Schultern konnte er sich mühelos einen Weg durch die Menge bahnen, und er überragte die meisten Leute um ihn herum. Vielleicht lag es aber auch an seiner beneidenswert selbstbewussten Haltung. Er strahlte eine Autorität aus, die verriet, dass er gut darin war, Probleme zu lösen und die Dinge in die Hand zu nehmen. Aber bevor sie dahinterkommen konnte, was sonst noch seinen Reiz ausmachte, schaute er von seinem Handy auf und sah sie unverwandt an.
Als hätte er die ganze Zeit gewusst, dass sie ihn beobachtete.
Chiara wurde rot. Zum Glück war das Wohnzimmer nur schwach beleuchtet. Er würde ihr also wenigstens nicht ansehen, welch enorme Wirkung er auf sie hatte. Auch wenn er sie dabei ertappt hatte, ihn anzustarren.
Sie beschloss, dass es Zeit wurde zu gehen. Ihre Absätze klapperten über den Hartholzboden, als sie Richtung Foyer lief und ihrer Assistentin eine SMS schrieb, dass sie jetzt aufbrechen wollte. Aber gerade als Jules an ihrer Seite erschien, verstellte Miles ihr den Weg.
„Gehen Sie nicht.“ Seine Worte und sein ernster Tonfall überraschten sie fast so sehr wie die Tatsache, dass er nach ihrer Hand griff. „Können wir unter vier Augen sprechen?“
Es wäre befriedigend gewesen, ihm zur Strafe dafür, wie er sich vorhin verhalten hatte, eine Abfuhr zu erteilen. Hoch erhobenen Hauptes durch seine Haustür in die Nacht hinauszuschreiten. Schnell sah sie zwischen Miles und ihrer Assistentin Jules Santor hin und her, die am Handy gerade die Rückfahrt zu ihrem nahe gelegenen Hotel organisierte. Aber Zach war Chiara wichtiger als ihr Stolz. Sie durfte nicht impulsiv handeln und damit die Chance vertun, etwas über Zachs Tod von Miles zu erfahren.
„Ich habe es mir anders überlegt“, sagte sie zu Jules, einer ehemaligen Volleyballerin, die überall Blicke auf sich zog. „Nimm dir den Rest des Abends frei. Ich bleibe noch ein bisschen.“
Jules biss sich auf die Lippen. „Bist du sicher? Willst du, dass ich ein Auto für dich bereitstelle?“
„Nicht nötig. Ich schreibe dir eine SMS, wenn ich abgeholt werden muss“