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Julia trat in die Bibliothek und ihr Blick fiel sofort auf den großen nostalgischen Schreibtisch aus glänzendem Edelholz, der den Raum dominierte.
Er stand direkt in der Mitte des Raumes.
Doch was Julias Blick tatsächlich fesselte, waren die fast leere Cognacflasche und die vielen benutzten Gläser, die um sie herum standen.
Auf einem der schwarzen Ledersessel, die sich um den Tisch verteilten, saß Athur.
Er hatte die Beine lässig überkreuzt auf die Sessellehne gelegt und hielt noch ein halb leeres Cognacglas in der Hand.
Er trug eine abgewetzte Jeans und ein Hemd, das offen stand. Sein Haar war wirr und hing ihm in Strähnen in die Stirn. Auf seiner nackten Brust konnte Julia die goldene Halskette mit dem Anhänger erkennen, der die Initialen der Vornamen der beiden Brüder zeigte.
Es erleichterte sie etwas, das zu sehen, denn dieser Anhänger stand für die Verbindung zwischen den Zwillingen. Und jetzt, nachdem Abel schon tagelang fort war, tat es gut, zu sehen, dass Athur zumindest die Kette nicht abgelegt hatte!
Doch er war betrunken, wie schon so oft in letzter Zeit ...
Julia konnte das in seinen Augen sehen, in denen dieser glasige Glanz lag, als er sich jetzt aufsetzte und ihr entgegenblickte.
„Hallo Julia! Schön, dich zu sehen ...“, lallte er grinsend, während er zum Gruß sein Glas anhob, sodass die schmelzenden Eiswürfel klirrten.
Sie erwiderte den Gruß, indem sie ihm lächelnd zunickte. Aber sie machte sich von Tag zu Tag mehr Sorgen um Athur. Das Zerwürfnis mit seinem Bruder machte ihm viel mehr zu schaffen, als er jemals zugeben würde, da war sie sich sicher!
„Komm her zu mir!“, forderte er sie auf und winkte sie zu sich heran.
Julia trat langsam zu ihm. Sie fühlte sich unsicher und wusste nicht recht, was sie tun sollte. Alles hatte sich so sehr verändert!
Bevor sie es richtig begriff, umfassten Athurs Finger ihr Handgelenk und er zog sie auf seinen Schoß.
Sie schrie erschrocken auf, wurde aber sofort unterbrochen, als Athur ihr einen groben Kuss auf die Lippen drückte.
Sie schmeckte den schalen Geschmack des Cognacs in seinem Atem und fragte sich, wo das alles noch enden sollte ...
„Nun, meine süße Julia, wie geht es dir? Willst du auch einen Drink?“, säuselte er an ihrem Ohr.
Doch sie schüttelte den Kopf.
„Nein, ich denke, es ist für mich noch zu früh! Wollen wir nicht etwas zu essen kommen lassen? Ich habe ganz schön Hunger!“, versuchte sie Athur auf andere Gedanken zu bringen.
„Ich habe keinen Appetit. Aber du kannst ruhig etwas essen ...“, antwortete Athur gedankenverloren.
Dann schob er sie sanft von sich und erhob sich.
Julia konnte sehen, dass er kurz schwankte.