: Jonathan Coe
: Mr. Wilder und ich
: Folio Verlag
: 9783990371121
: 1
: CHF 15.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 280
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
In seinem neuen Roman zeichnet Bestseller-Autor Jonathan Coe ein faszinierendes Porträt der Hollywood-Legende Billy Wilder. Los Angeles, Sommer 1976: Durch einen verrückten Zufall lernt die junge Athenerin Calista einen witzigen Herrn mit österreichischem Akzent kennen, ohne zu ahnen, dass es das Kino-Genie Billy Wilder ist, Schöpfer von unsterblichen Filmen wie Manche mögen's heiß. Die Begegnung wird ihr Leben verändern. Als Dolmetscherin begleitet sie den Regisseur und seine glamouröse Filmcrew auf die verschlafene griechische Insel Madouri, wo er seinen vorletzten Film Fedora dreht, dann weiter nach München und Paris. Während es für sie eine traumwandlerische Reise ist, sieht sich der jüdische Exilant Wilder mit seiner Geschichte konfrontiert. Mit grandiosem Witz und feiner Ironie zeichnet Coe ein schillerndes Bild des Meisters der Komödie.

Jonathan Coe, 1961 in Birmingham geboren, lebt in London. Er zählt zu den wichtigsten und humorvollsten britischen Autoren der Gegenwart. Zahlreiche Auszeichnungen. Seine Bücher sind in viele Sprachen übersetzt, zuletzt auf Deutsch bei Folio sind erschienen: Nummer 11 (2017) und der Brexit-Roman und Bestseller Middle England (2020).

London


An einem Wintermorgen vor sieben Jahren nahm ich eine der Rolltreppen, mit denen man im U-Bahnhof Green Park von den Bahnsteigen der Piccadilly Line hinauf zur Straßenebene gelangt. Wer schon einmal mit diesen Rolltreppen gefahren ist, weiß, wie lang sie sind. Die Fahrt von unten nach oben dauert ungefähr eine Minute, und für eine ungeduldig veranlagte Person wie mich ist eine Minute Stillstehen zu lang. Obwohl ich es an jenem Morgen nicht besonders eilig hatte, begann ich nach wenigen Sekunden, die Stufen der Rolltreppe hochzusteigen, vorbei an den Fahrgästen, die auf der rechten Seite Wurzeln geschlagen hatten – und dachte währenddessen bei mir, „Du gehst zwar auf die sechzig zu, hast es aber immer noch drauf, du bist noch fit“ –, bis ich nach etwa drei Vierteln des Aufstiegs nicht weiterkam. Rechts stand eine junge Mutter und links ihre Tochter, ein Mädchen von vielleicht sieben oder acht Jahren, das ihre Hand hielt. Es hatte blonde Haare und trug einen roten Regenmantel mit Kapuze, in dem es ein bisschen so aussah wie das kleine Mädchen, das am Anfang vonWenn die Gondeln Trauer tragen in einem Teich ertrinkt. (Alles erinnert mich an einen Film, ich kann mir nicht helfen.) Es war nicht genügend Platz, um mich an dem Mädchen vorbeizuschieben, und überhaupt wollte ich diesen schönen Moment der Verbundenheit zwischen Mutter und Kind nicht stören. Daher wartete ich, bis die beiden das obere Ende der Rolltreppe erreichten, und sah zu, wie die Kleine sich zum Absprung bereitmachte. Sogar von hinten merkte ich ihr an, wie sehr sie diesem Moment entgegenfieberte, wie sie den Blick gebannt auf das nunmehr ebene Laufband zu ihren Füßen gerichtet haben musste und mit geballter Anspannung in den winzigen Gliedern und Muskeln auf den richtigen Zeitpunkt lauerte, um dann, als es so weit war, mit einer plötzlichen, ungestümen Bewegung abzuspringen und sicher auf festem Boden zu landen, woraufhin sie, zweifellos erleichtert und beschwingt v