DAS WEISSE BAND
Herr Haneke, für Ihren Film Das weiße Bandsind Sie mit Lob überschüttet worden, in Cannes gab es 2009 dafür die Goldene Palme, und den Europäischen Filmpreis haben Sie auch bekommen. Vor allem für die Kinderszenen hat man sie gefeiert. Wie haben Sie die Kinder gefunden?
Es war viel Arbeit. Wir wollten ja nicht nur begabte Kinder finden, was schwierig genug ist, wir wollten Gesichter finden, wie man sie von den Fotos dieser Zeit kennt. Alles in allem haben wir in einem halben Jahr mehr als siebentausend Kinder gecastet.
Aber es gibt doch Agenturen.
Die haben wir als erstes abgeklappert, aber die Auswahl war gering. Dann haben wir dort, wo der Film gedreht werden sollte, in der Prignitz (Brandenburg), Zeitungsanzeigen geschaltet und Radioaufrufe senden lassen. Alle Dörfer der Gegend wurden abgegrast. Wenn wir einige Kinder interessant fanden, hat mein Team sie ein zweites Mal aufgesucht, einen Text sprechen lassen und sie dabei gefilmt. Ich habe mir dann die engere Auswahl auf den Videos angesehen. Natürlich haben wir zusätzlich in allen großen Städten gesucht, auch im Ausland. Die beiden Kinder des Arztes, Roxane Duran und Miljan Chatelain, sowie der kleine Pfarrerssohn mit dem Vogel, Thibault Sérié, kommen beispielsweise aus Paris, aus zweisprachigen Familien.
Wie haben Sie die Kinder auf den Dreh vorbereitet?
Mein Casting Director Markus Schleinzer hat das gemacht. Er hat vorher den Kindern ausführlich alles erklärt und auch den Text mit ihnen eingeübt. Ohne ihn und seine Assistentin Carmen Loley wäre der Film nicht so geworden, wie er geworden ist. Während der Dreharbeiten haben beide die Kinder rund um die Uhr betreut, und das war sehr hilfreich. Die Kinder kamen sehr gut vorbereitet zum Set. Sie wußten genau, worum es in den jeweiligen Szenen ging.
Und dann kam der Drehtag. Wie haben Sie mit den Kindern gearbeitet?
Wie mit Schauspielern. Ich sage »Mach mal« und lasse sie spielen. Und wenn es falsch war, dann habe ich versucht zu erklären, wie man es besser machen könnte. Und dann haben wir alles noch einmal gedreht.
Sie untertreiben. Das klingt so, als hätte jeder Hobbyfilmer die Szenen genauso hinbekommen.
Wer unerfahren ist, der sieht vermutlich nicht, wann etwas richtig und wann etwas falsch ist. Und wie man in letzterem Fall Abhilfe schafft. Das zu erkennen – darin liegt möglicherweise das Geheimnis der Schauspielführung.
Waren die Eltern der Kinder mit am Set?
Das sollte man möglichst vermeiden. Eltern am Set lenken die Kinder ab und stören die Konzentration.
Wie kann ein Kind am Set überhaupt ruhig bleiben? Ich denke an das ganze Drumherum, an die vielen unbekannten Gesichter. Alle sind doch kribbelig …
Schwierig war es mit den kleinen Kindern, weil die sich nicht lange konzentrieren können. Kinder unter sieben, acht Jahren sind in so einem großen Apparat verständlicherweise immer schwer zu händeln, sie werden schnell ungeduldig. Sie sprechen einmal ihren Text und sehen nicht ein, warum sie ihn ein zweites Mal sprechen sollten. Warum auch? Dann muß man unterbrechen und sie rumlaufen lassen. Das alles ist eine Geduldsfrage, und man muß warten, bis man das hat, was man will.
Vertauschen sich am Set auch schon Mal die Rollen – und die Kinder übernehmen die Regie?
Auf jeden Fall wissen die Kinder genau, wie niedlich sie sind. Von wegen Naivität