Franciscus Lang ABHANDLUNG ÜBER DIE SCHAUSPIELKUNST
§ I.
Was die Schauspielkunst ist und von ihrer Vortrefflichkeit.
[…] Als Schauspielkunst in meinem Sinne bezeichne ichdie schickliche Biegsamkeit des ganzen Körpers und der Stimme, die geeignet ist, Affekte zu erregen. Und zwar umfaßt die Schauspielkunst sowohl die Beherrschung des Körpers selbst, die Bewegungen und Stellungen, als auch die Veränderung der Stimme, welche sie nach den Gesetzen der Kunst und Natur vereint, so daß sie den Zuschauern Genuß verschafft und daher wirksamer zum Affekt führt.
§ II.
Ob zur Darstellung Kunst benötigt wird, oder ob allein die Natur genügt.
[…] Nach der Erfahrung aller ist es gewiß, daß einige Bewegungen der Hände oder anderer Glieder dem Menschen von Natur aus angeboren sind, Bewegungen, mit denen er seine Rede belebt und dieser eine größere Kraft verleiht, als sie das bloße Aussprechen von Worten bewirkt. Aber diese Kraft ist noch roh und ungepflegt. Daher muß sie durch die Kunst verfeinert und zur Eleganz ausgebildet werden, damit sie ihren Zweck sicherer erreiche. Wie also in den übrigen Wissenschaften oder bei manuellen Tätigkeiten das Schaffen der Natur durch die Kunst vollendet wird, so geschieht es auch in der Schauspielkunst, die nichts anderes ist als eine Nachahmung der Sitten, und zwar der Sitten jener Personen, welche der Chorag durch die Darstellung vergegenwärtigt und auf der Bühne vorführt. Dies aber kann die Natur allein nicht rein und vollkommen leisten, da es gründlicher und vielfacher Überlegung bedarf, wie man eines anderen Handlungen zunächst im Geiste entwerfen, dann auch durch sorgfältige Angleichung des eigenen Körpers und der Stimme nachahmen soll: was die eigentliche Ausübung der Kunst ist.
In dieser Arbeitsweise s