: Jens Roselt
: Seelen mit Methode Schauspieltheorien vom Barock bis zum postdramatischen Theater
: Alexander Verlag Berlin
: 9783895813696
: 1
: CHF 23.90
:
: Theater, Ballett
: German
: 400
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ist Schauspielen eigentlich eine Kunst? Schauspieler(innen) sind die Fixpunkte der Aufmerksamkeit im Theater. Seit dreihundert Jahren nehmen Theoretiker die Herausforderung an, schauspielerisches Handeln zu definieren. In Schauspieltheorien wird danach gefragt, ob der Schauspieler sich selbst oder jemand anderes spielt, ob seine Gefühle echt oder nur vorgetäuscht sind, ob er seinen Körper kontrolliertund kühl einsetzt oder unbewußt und unter Feuer spielt. Über welche geistigen und körperlichen Voraussetzungen müssen Schauspieler verfügen, und wie kann man diese schulen? Die Lektüre von Schauspieltheorien verspricht Aufschlüsse darüber, welches Menschenbild zu einer bestimmten Zeit in Szene gesetzt wurde, welches Körperverständnis vorherrschte und wie diese Menschenbilder im Theater wiederholt, bestätigt, in Frage gestellt und erweitert wurden. Der Band versammelt zentrale schauspieltheoretische Texte vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Die Theorien von Franziscus Lang, Pierre Rémond de Sainte Albine, Francesco Riccoboni, G. E. Lessing, Denis Diderot, Johann Jakob Engel, J. W. Goethe, HeinrichTheodor Rötscher, William Archer, Max Martersteig, Georg Simmel, Konstantin S. Stanislawski, Bertolt Brecht, Helmuth Plessner, Richard Schechner u. a. werden in den historischen Kontext gestellt und erläutert. Eine systematische Einführung schafft den Überblick zu zentralen Kategorien der Schauspielkunst wie Nachahmung, Verkörperung, Natürlichkeit oder Emotionalität auf der Bühne.

Werdegang: *1989 bis 1994 Studium der Angewandten Theaterwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität in Gießen *1995 bis 1998 Graduiertenkolleg Theater als Paradigma der Moderne in Mainz *1998 Promotion in Gießen. Die Dissertation ist unter dem Titel Die Ironie des Theaters 1999 beim Passagen Verlag Wien erschienen. *seit 1999 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Sonderforschungsbereich Kulturen des Performativen an der Freien Universität Berlin *Lehraufträge an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und der Technischen Universität Berlin (Studiengang Bühnenbild) *1996 Gerhart-Hauptmann-Förderpreis der Freien Volksbühne Berlin *2000/2001 Hausautor am Staatstheater Stuttgart *2000 Zusammenarbeit mit Stefan Pucher bei dessen Inszenierung von Die Möwe am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg *2001 Dramatisierung des Romans Erniedrigte und Beleidigte von Dostojewski für Frank Castorf (Wiener Festwochen) *2001 Autor für die Schauplätze I am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg

Franciscus Lang
ABHANDLUNG ÜBER DIE SCHAUSPIELKUNST

§ I.

Was die Schauspielkunst ist und von ihrer Vortrefflichkeit.

[…] Als Schauspielkunst in meinem Sinne bezeichne ichdie schickliche Biegsamkeit des ganzen Körpers und der Stimme, die geeignet ist, Affekte zu erregen. Und zwar umfaßt die Schauspielkunst sowohl die Beherrschung des Körpers selbst, die Bewegungen und Stellungen, als auch die Veränderung der Stimme, welche sie nach den Gesetzen der Kunst und Natur vereint, so daß sie den Zuschauern Genuß verschafft und daher wirksamer zum Affekt führt.

§ II.

Ob zur Darstellung Kunst benötigt wird,
oder ob allein die Natur genügt.

[…] Nach der Erfahrung aller ist es gewiß, daß einige Bewegungen der Hände oder anderer Glieder dem Menschen von Natur aus angeboren sind, Bewegungen, mit denen er seine Rede belebt und dieser eine größere Kraft verleiht, als sie das bloße Aussprechen von Worten bewirkt. Aber diese Kraft ist noch roh und ungepflegt. Daher muß sie durch die Kunst verfeinert und zur Eleganz ausgebildet werden, damit sie ihren Zweck sicherer erreiche. Wie also in den übrigen Wissenschaften oder bei manuellen Tätigkeiten das Schaffen der Natur durch die Kunst vollendet wird, so geschieht es auch in der Schauspielkunst, die nichts anderes ist als eine Nachahmung der Sitten, und zwar der Sitten jener Personen, welche der Chorag durch die Darstellung vergegenwärtigt und auf der Bühne vorführt. Dies aber kann die Natur allein nicht rein und vollkommen leisten, da es gründlicher und vielfacher Überlegung bedarf, wie man eines anderen Handlungen zunächst im Geiste entwerfen, dann auch durch sorgfältige Angleichung des eigenen Körpers und der Stimme nachahmen soll: was die eigentliche Ausübung der Kunst ist.

In dieser Arbeitsweise s