Macbeth
Spuren im Sand: Dokumentation eines Probenprozesses
DER TEXT
Hamburg, 29. März 2011
ShakespearesMacbeth ist 1606 entstanden, das Stück ist vollertopical allusions, die es fest in seiner Zeit verankern. Worin liegt die Zeitgenossenschaft dieses Stückes, das du bereits 2004 in Antwerpen inszeniert hattest?
Dazu muss ich erklären, was mich grundsätzlich an Shakespeare interessiert. Ich habe ihn bereits auf der Schauspielschule für mich entdeckt. 1977 habe ich bei einem Szenenstudium Jago gespielt. Trotz des existierenden Zeitabstands kamen mir Shakespeares Stücke sehr gegenwärtig vor. Inzwischen habe ich viele Stücke von ihm inszeniert, und im Laufe der Jahre habe ich mir immer häufiger die Frage gestellt: Was ist das eigentlich, warum fasziniert mich Shakespeare immer wieder? Und das hat teilweise mit dem zeitlichen Abstand zu tun, denn dadurch rückt die Wirklichkeit oder der poetische Kern dieser Stücke näher an uns heran. Das, was ich als Shakespeares poetischen Kern bezeichnen würde, ist die Tatsache, dass Shakespeare eigentlich immer mit den Urängsten spielt und in diesem Sinne zeitlos ist. Warum ich 2011 noch einmalMacbeth inszenieren möchte, hat aber auch damit zu tun, dass ich von der Ruhrtriennale das Angebot bekommen habe, etwas im Rahmen des Themas »Buddhismus« zu machen – ein Thema, das mich seit Jahren sehr beschäftigt, weshalb ich die Einladung gern angenommen habe. Ich habe zunächst erst einmal an offensichtliche Stoffe wie Hermann HessesSiddhartha gedacht. Ich habe angefangen, Nō-Theaterstücke zu lesen, aber das sind natürlich eher Stoffe, die kaum dramatisch, sondern eher beschreibend sind, in denen sich mir deshalb kein dramatischer Konflikt enthüllt, der sich irgendwie entwickeln würde. Von diesen offensichtlichen Stoffen bin ich dann ziemlich schnell zu anderen Texten gekommen, die auf den ersten Blick aber gar nicht unbedingt buddhistisch sind. Das ist nämlich eine wichtige Frage: Was ist überhaupt buddhistisch? Ich habe mich schließlich daran erinnert, dass innerhalb der tibetanisch-buddhistischen Tradition Shakespeare als ein Bodhisattva gilt – also als ein Weiser, der andere inspiriert, die Buddha-Philosophie zu realisieren, sich ihrer bewusst zu werden. Im Grunde könnte man unter diesem Aspekt also jedes Stück von Shakespeare nehmen, weil er sich eigentlich in fast jedem Stück mit der Vergänglichkeit auseinandersetzt – mit dem buddhistischen Thema schlechthin. Die buddhistische Philosophie sagt, dass man versuchen muss, Frieden zu finden – Frieden zu stiften in der Welt, indem man Frieden mit sich selber findet. Frieden mit sich selber findet man aber erst in dem Moment, in dem man seine eigene Sterblichkeit, seine Angst vor der Vergänglichkeit akzeptiert: indem man nicht ständig in einem Konflikt mit sich selber lebt, sondern versucht, sich durch Meditation bewusst zu werden, wie man in einer Art von Überlebensinstinkt, Überlebenstrieb ständig in einem Krieg mit der Welt und mit sich selber lebt. Dieser Gedanke war für mich sofort die Tür zu Shakespeare, denn in welchem seiner Stücke kommt dies nicht vor? Egal, ob inRichard III., Richard II., King Lear oderHamlet: Überall sieht man Helden, die sich mit dem Tod auseinandersetzen