: Dominik Graf
: Johannes F Sievert
: Fernseharbeit Gespräche mit Johannes F. Sievert
: Alexander Verlag Berlin
: 9783895812989
: 1
: CHF 11.40
:
: Fotografie, Film, Video, TV
: German
: 240
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Welche Entscheidungen - kreativer, praktischer, technischerund finanzieller Art - machen einen Film zu dem, was er ist? Johannes Sievert dokumentiert am Beispiel von Dominik Grafs 'Im Angesicht des Verbrechens' die Entstehung und dieverschiedenen Stadien einer Filmserie. Texte und Interviews von und mit Dominik Graf und den maßgeblich an der Serie beteiligten Mitarbeitern, Redakteuren und Producern, dem Kameramann, dem Ausstatter, der Cutterin, den Komponisten und den Schauspielern geben Einblicke in die komplexen Abläufe und Zusammenhänge einer Film- und Fernseharbeit in Deutschland. Ergänzt wird der Band u.a. durch eine Filmografie und ein Glossar mit den wichtigsten fimtechnischen Fachbegriffen.

Dominik Graf, geboren 1952 als Sohn der Schauspieler Selma und Robert Graf, studierte in seiner Geburtsstadt München Musikwissenschaften und Germanistik, und wechselte anschließend an die Hochschule für Film und Fernsehen München. Dort erlernte er das Handwerk des Regieführens, machte sich aber auch als Schauspieler und Drehbuchautor einen Namen. Für seinen Abschlussfilm Der kostbare Gast (1979) erhielt Graf den Bayrischen Filmpreis in Gold (Beste Nachwuchsregie). Neben zahlreichen Produktionen fürs Fernsehen (Der Fahnder 1983-1991, mehrere Folgen für Polizeiruf 110 und Tatort, Hotte im Paradies 2002), bei denen er 'mehr wagen kann, ohne den Wahnsinns-Apparat des Films', bringt Graf unterschiedliche Beiträge auf die große Leinwand, darunter Die Sieger (1994), Der Felsen (2002) und Der Rote Kakadu (2005). Zu seinen persönlichsten Arbeiten gehören die Porträts München - Geheimnisse einer Stadt (2000), eine Hommage an seine Heimat - noch heute lebt er dort - und der Essayfilm Das Wispern im Berg der Dinge - Der Schauspieler Robert Graf, der in Kooperation mit dem Filmkritiker Michael Althen entstand. In dem Episodenfilm Deutschland 09 (2009) führt Graf mit seinem Beitrag ('Der Weg, den wir nicht zusammen gehen') einmal quer durch die Republik und berichtet vom Verfall und Verschwinden ruinöser Gemäuer. Seine mehrteilige Serie Im Angesicht des Verbrechens wurde auf der Berlinale 2010 in der Sektion 'Forum' vorgestellt. Dominik Graf wurde mit den wichtigsten Filmpreisen des Landes ausgezeichnet, darunter der 'Deutsche Fernsehpreis' und der 'Adolf-Grimme-Preis'. Weitere Infos auf Wikipedia oder IMDb. Johannes F. Sievert wurde 1968 in Bielefeld geboren. Er schloss sein Studium der Film- und Fernsehen, Politik-, Theaterwissenschaft mit dem Magister ab, bevor er begann als Aufnahmeleiter, Regieassistent, Car-Captain bei internationalen TV-, Kino- und Werbe-filmproduktionen zu arbeiten. Er war unter anderem für die Regisseure Peter Bogdanovich, Robert Schwentke, Bob Rafelson, Max Färberböck und Dominik Graf tätig. 2002 nahm er als Stipendiat an der internationalen Filmschule Köln sein Regiestudium auf, dass er 2005 beendete. 2007 gründete er zusammen mit zwei Studienkollegen die Pi Filmproduktion mit Sitz in Köln. Zu seinen Credits gehören u.a. die Kurzfilme Nocturne, Singin in the blood, Grund-rauschen, Feuern des Tintenfischschs, Inversion, KomA, sowie Making Ofs für RTL, ARTE, WDR und der Dokumentarfilm Junge Hunde. Zuletzt entstanden die Episode Sinan G für den Dokumentarfilm Zeche is nich. des ZDF und Gangsta Fiction, das Making Of zu der Mini-Serie Im Angesicht des Verbrechens von Dominik Graf. Im Rahmen der Masterclass Non-Fiction der ifs arbeitet er an dem Dokumentarfilm Atemlos.

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WEGE ZUM FILM – WERDEGANG

Kommen wir zu deinem Background. Aufgewachsen bist du in einem Schauspielerhaushalt …

Ja, beide Eltern waren Theaterschauspieler. Meine Mutter Selma Urfer betätigte sich erfolgreich als Kabarettistin und arbeitete später auch als Schriftstellerin. Sie kommt selbst sozusagen aus der gutbürgerlichen deutschen Hochkultur. Ihr Urgroßvater Karl Gutzkow lebte als Schriftsteller und Journalist in der Epoche Junges Deutschland/Biedermeier/Vormärz und starb 1878 in Frankfurt/Main bei einem durch eine Zigarette im Bett ausgelösten Schwelbrand. Mein Vater Robert Graf war in den Fünfzigern, Sechzigern einer der bekanntesten westdeutschen Schauspieler. In diesem Klima herrschte zu Hause ein gewisser Snobismus dem Kino gegenüber. Die Filme, in denen mein Vater in den Fünfzigern und Sechzigern mitspielte – die bekanntestenWir Wunderkinder, Buddenbrooks, Jonas, Das schöne Abenteuer –, verschärften zu Haus noch den Eindruck, daß Film, selbst als Kunstform, gegen die wirklich hohe Literatur nicht im geringsten ankommt. Und Actionfilme wurden eher als eine Art teurer Spielplatz für pubertierenden Schwachsinn angesehen. (Action, als Genre, gab es damals ja noch gar nicht, es gab Kriegsfilme, Thriller, Western.) Obwohl mein Vater eine Rolle neben Steve McQueen in John Sturges’The Great Escape (Gesprengte Ketten) bekommen hatte und jeden Tag fasziniert von den Motorradkünsten McQueens zu Hause erzählte, hatte er im Krieg genug erlebt – er war schwer verletzt zurückgekommen und zeitlebens behindert –, um Kriegsspiele jeder Art im Kino nicht mehr so richtig amüsant finden zu können.

Hat dich etwas von dem, was dein Vater gespielt hat, gefesselt?

Mich hat die Tatsache seiner Berühmtheit, seines Starruhms, als Kind fasziniert. Jeder kannte und erkannte ihn, auch wildfremde Leute auf der Straße. Die Kinofilme waren Hits, das Fernsehen war jung, und alle sahen das einzige Abendprogramm der ARD. Die Journalisten drängten ihn zu Homestorys, in deren Fotos wir alle in unserem wunderschönen Flachdachhaus posierten wie bestellt und nicht abgeholt. Es gab große Feste bei uns, das Haus gehörte zum Münchner Kulturleben der Nachkriegszeit. Neben seinen Spielfilmen war er auf der Bühne und im Fernsehen der zerrissene Held vieler radikal moderner Stücke. Er spielte an den Münchner Kammerspielen seltener in Klassikern, sondern eher in Stücken von Jean Anouilh, Heinar Kipphardt, Thornton Wilder usw. – damalige Avantgarde-Autoren, die heute fast aus dem Bewußtsein verschwunden sind. Sein Spielstil hat mich schon immer fasziniert, egal ob in todernsten Dokumentar-TV-Spielen oder in sehr entspannten Kurt-Hoffmann-Lustspielen wieDas schöne Abenteuer. Er war sachlich, er wirkte völlig unpathetisch, fast nur auf die Sprache konzentriert. Und ich finde, man sieht, daß unter der scheinbar unkörperlichen Zurückgenommenheit seines Spiels die Tragödie seiner ganzen Generation schimmert.

Warst du bei Proben deiner Eltern am Theater dabei?

Als kleines Kind manchmal ja. Auch bei den Aufführungen abends. Meine Mutter spielte im Münchner Kabarett »Die Zwiebel« – auch sehr keck und fortschrittlich. Mein Vater spielte bis kurz vor seinem Tod an den Kammerspielen. Die Nähe zum Theater hat aber keine große Freude daran bei mir hinterlassen, eher die Erinnerung an das Geräusch von Schritten auf Holz, Brettern, laute Bühnensprache, an Staub und an den Geruch von Garderoben und riesigen Requisitenhallen. Ein gewisser »Muff«.

Waren die Filme und Stücke Thema zu Hause? Ich denke z. B. an The Great Escape…

BeiThe Great Escape drehten sie das Gefangenenlager in Dachau, und er war häufig zum Mittagessen zu Hause – in seiner deutschen Bewacherunifor