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WEGE ZUM FILM – WERDEGANG
Kommen wir zu deinem Background. Aufgewachsen bist du in einem Schauspielerhaushalt …
Ja, beide Eltern waren Theaterschauspieler. Meine Mutter Selma Urfer betätigte sich erfolgreich als Kabarettistin und arbeitete später auch als Schriftstellerin. Sie kommt selbst sozusagen aus der gutbürgerlichen deutschen Hochkultur. Ihr Urgroßvater Karl Gutzkow lebte als Schriftsteller und Journalist in der Epoche Junges Deutschland/Biedermeier/Vormärz und starb 1878 in Frankfurt/Main bei einem durch eine Zigarette im Bett ausgelösten Schwelbrand. Mein Vater Robert Graf war in den Fünfzigern, Sechzigern einer der bekanntesten westdeutschen Schauspieler. In diesem Klima herrschte zu Hause ein gewisser Snobismus dem Kino gegenüber. Die Filme, in denen mein Vater in den Fünfzigern und Sechzigern mitspielte – die bekanntestenWir Wunderkinder, Buddenbrooks, Jonas, Das schöne Abenteuer –, verschärften zu Haus noch den Eindruck, daß Film, selbst als Kunstform, gegen die wirklich hohe Literatur nicht im geringsten ankommt. Und Actionfilme wurden eher als eine Art teurer Spielplatz für pubertierenden Schwachsinn angesehen. (Action, als Genre, gab es damals ja noch gar nicht, es gab Kriegsfilme, Thriller, Western.) Obwohl mein Vater eine Rolle neben Steve McQueen in John Sturges’The Great Escape (Gesprengte Ketten) bekommen hatte und jeden Tag fasziniert von den Motorradkünsten McQueens zu Hause erzählte, hatte er im Krieg genug erlebt – er war schwer verletzt zurückgekommen und zeitlebens behindert –, um Kriegsspiele jeder Art im Kino nicht mehr so richtig amüsant finden zu können.
Hat dich etwas von dem, was dein Vater gespielt hat, gefesselt?
Mich hat die Tatsache seiner Berühmtheit, seines Starruhms, als Kind fasziniert. Jeder kannte und erkannte ihn, auch wildfremde Leute auf der Straße. Die Kinofilme waren Hits, das Fernsehen war jung, und alle sahen das einzige Abendprogramm der ARD. Die Journalisten drängten ihn zu Homestorys, in deren Fotos wir alle in unserem wunderschönen Flachdachhaus posierten wie bestellt und nicht abgeholt. Es gab große Feste bei uns, das Haus gehörte zum Münchner Kulturleben der Nachkriegszeit. Neben seinen Spielfilmen war er auf der Bühne und im Fernsehen der zerrissene Held vieler radikal moderner Stücke. Er spielte an den Münchner Kammerspielen seltener in Klassikern, sondern eher in Stücken von Jean Anouilh, Heinar Kipphardt, Thornton Wilder usw. – damalige Avantgarde-Autoren, die heute fast aus dem Bewußtsein verschwunden sind. Sein Spielstil hat mich schon immer fasziniert, egal ob in todernsten Dokumentar-TV-Spielen oder in sehr entspannten Kurt-Hoffmann-Lustspielen wieDas schöne Abenteuer. Er war sachlich, er wirkte völlig unpathetisch, fast nur auf die Sprache konzentriert. Und ich finde, man sieht, daß unter der scheinbar unkörperlichen Zurückgenommenheit seines Spiels die Tragödie seiner ganzen Generation schimmert.
Warst du bei Proben deiner Eltern am Theater dabei?
Als kleines Kind manchmal ja. Auch bei den Aufführungen abends. Meine Mutter spielte im Münchner Kabarett »Die Zwiebel« – auch sehr keck und fortschrittlich. Mein Vater spielte bis kurz vor seinem Tod an den Kammerspielen. Die Nähe zum Theater hat aber keine große Freude daran bei mir hinterlassen, eher die Erinnerung an das Geräusch von Schritten auf Holz, Brettern, laute Bühnensprache, an Staub und an den Geruch von Garderoben und riesigen Requisitenhallen. Ein gewisser »Muff«.
Waren die Filme und Stücke Thema zu Hause? Ich denke z. B. an The Great Escape…
BeiThe Great Escape drehten sie das Gefangenenlager in Dachau, und er war häufig zum Mittagessen zu Hause – in seiner deutschen Bewacherunifor