Kapitel 2
Barfuß schlenderte er zur Schlafzimmertür, zögerte jedoch, diese letzte Barriere zu entfernen. Eine Hand am Knauf lauschte Jake den vertrauten Stimmen und dem geschäftigen Treiben, das mit dem Öffnen der Schiebetür wie eine riesige Welle in sein Schlafzimmer schwappen würde. Wann, zum Teufel, waren sie alle aufgestanden, fragte er sich nicht zum ersten Mal während ihrer langjährigen Zusammenarbeit.
»Na, dann woll’n wir mal«, murmelte Jake, teilte mit Schwung die beiden Flügel und trat nach draußen – in eine andere Welt. Sofort richtete sich die Aufmerksamkeit aller Umstehenden auf ihn. Wie durch ein unsichtbares Signal schien eine andere Phase im Tagesplan eingeläutet worden zu sein. Mit einem Lächeln auf den Lippen warf er einen Blick in die Runde und murmelte ein ›Morgen‹. Einen Augenblick später löste sich die Starre und es kam wieder Bewegung in sein Team – in zwei Mitglieder im Besonderen. Jake blieb stehen und wartete amüsiert ab, wer heute gewinnen würde.
»Jake, wir müssen noch einige Termine und Änderungen durchgehen!« Wie erwartet war Janine perfekt gestylt. Ihr blondes Haar und ihr Kostüm saßen tadellos. Sie bahnte sich ihren Weg und fixierte ihn mit einem strengen Blick. Offensichtlich lief sie bereits auf Hochtouren, weswegen er es ihr nachsah, dass sie ohne ein ›Hallo‹ oder ›Guten Morgen‹ in die Unterhaltung startete. Noch ehe seine Assistentin ihn erreichte und er sie mit einem Lächeln und einem Kuss auf die Wange begrüßen konnte, schob sich von der anderen Seite ihre Konkurrenz an ihn heran.
»Honey, wir haben heute wie immer viel vor und ich …« Kisha, ihres Zeichens gekürte Make-up-Artistin, hakte sich bei Jake unter und versuchte, ihn mit sanftem Druck in eines der angrenzenden Zimmer zu lotsen. Sie kannten sich seit Jahren und waren ein eingeschworenes Team, was das Arbeiten für beide Seiten angenehm machte. Kisha ging, wie auch alle anderen aus seiner Ersatzfamilie, locker und ungezwungen mit ihm um und er konnte sich auf ihre Diskretion verlassen. Schon mehr als einmal hatte sie ihn während eines Shootings nackt gesehen, und nicht nur gesehen, sondern auch Hand an ihn gelegt, für das Body-Make-up.
Kisha besaß quasi das Monopol auf seinen Körper – zumindest, wenn es um Kosmetik ging. Sie war Mitte fünfzig und pfiff selbstbewusst auf den Schlankheitswahn in Hollywood. Kisha hatte eine Rubensfigur, die sie mit auffällig bunten Kleidern umhüllte, und beheimatete tief in ihrem Innern die Seele einer italienischen ›Mama‹, einer Matriarchin. Sie war oft Beraterin in allen Lebenslagen. Wenn man es wagte, konnte man bei ihr seinen Kummer loswerden, wurde getröstet und erhielt Rat – ehrlich und direkt.
»Ah, ah!« Mit erhobenem Zeigefinger unterband Janine die Entführung und blieb dicht vor Kisha stehen. Sie sah streng auf die ältere Frau hinab, was der Autorität der gebürtigen Afrikanerin keinen Abbruch tat. »Tut mir leid, aber das hat Vorrang!« Janine drückte ihren Zeigefinger derart heftig gegen das Clipboard in ihrer Hand, dass der Bereich um den Knöchel sich weiß verfärbte. Trotz modernster Technik, die Jake seiner Assistentin zur Verfügung stellte, arbeitete