: Tahar Ben Jelloun, Chrstiane Kayser, Estelle Surbranche
: Schlaflos Kriminalroman
: Polar Verlag
: 9783948392253
: 1
: CHF 13.50
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 250
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
In diesem düsteren, humorvollen Thriller findet ein Drehbuchautor, der seine Zeit zwischen Tanger und Paris verbringt, eines Tages über sich heraus, dass er jemanden töten muss, um endlich gut schlafen zu können. Seine Mutter wird sein erstes Opfer sein. Er hält sich nicht wirklich für einen Kriminellen, er hilft ihr nur zu sterben. Als die Auswirkungen seiner Tat nachlassen, wird ihm klar, dass er an seinen mörderischen Methoden festhalten muss, um für weitere erholsame Nächte zu sorgen. In Marokko gibt es keinen Mangel an Beute: je mehr Bankiers und Politiker seiner Schlaflosigkeit zum Opfer fallen, desto tiefer ist die Ruhe in der Nacht. Als sich herausstellt, dass eines seiner Opfer ein ehemaliger Folterer ist, der während der grausamen Herrschaft von König Hassan II. aktiv war, wird ihm klar: Je bösartiger seine Opfer sind, desto länger und besser schläft er durch. Seine Heldentaten werden gewagter, immer prominentere Personen geraten ins Visier und er selbst ins Fadenkreuz. 'Schlaflos' ist ein Juwel, eine sinnliche Erzählung über das Leben und das Vergehen der Zeit.

Der marokkanische Schriftsteller Tahar Ben Jelloun gilt als bedeutendster Vertreter der französischsprachigen Literatur aus dem Maghreb. Der Autor lebt mit seiner Frau und seinen Kindern in Paris und Marokko. Er wurde mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet und mit dem International IMPAC Dublin Literary Award. Im Jahr 2011 wurde ihm der Erich-Maria-Remarque- Friedenspreis verliehen.

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Seit dem Tod des Marquis schlief ich ziemlich gut, doch ich spürte, dass dieses Glück nicht von langer Dauer sein konnte und ich wieder der Schlaflosigkeit verfallen würde. Da rief mich an einem Wochenende wunderbarerweise Tony an, ein alter Bekannter, der Pförtner in der Jebilat-Klinik war. In Wahrheit hieß er Ahmad, doch er nannte sich Tony, nach Tony Montana, dem Mafiaboss, den Al Pacino inScarface spielt.

»Komm schnell her! Der Richtschütze, du weißt schon, der Dreckskerl, der meine kleine Schwester umgebracht hat, ist blutüberströmt in der Notaufnahme gelandet; Unfall oder Schlägerei, keine Ahnung, aber sein Zustand ist kritisch. Das ist doch mal eine gute Nachricht! Komm schnell, jetzt können wir endlich unseren Traum verwirklichen … Wir geben ihm den Rest …«

In Tanger gab es tatsächlich einen etwa vierzigjährigen Lehrer, dem man seine verruchte Seele vom Gesicht ablesen konnte. Er wurde »der Richtschütze«, »der Alte«, »der Einäugige« oder »der Dichter« genannt, aber alles mit einer Prise Verachtung. Mager, dürr, ein länglich durchfurchtes Gesicht, ein beunruhigender Blick, ein schmallippiger Mund mit ein paar Zahnstummeln. Er trug eine dicke Gleitsichtbrille und gab vor, Gedichte zu lieben, vor allem, wenn sie von naiven jungen Mädchen verfasst wurden, die zu allem bereit waren, um veröffentlicht zu werden. Er hatte eine Zeitschrift gegründet, die er schlicht und einfachPoesie nannte. Selber schrieb er bedeutungslose Texte, die so schwer verständlich waren, dass sie als hermetische Dichtung durchgehen konnten.

Er lauerte den jungen Leuten – Mädchen und Jungen – vor der Schule auf und verführte sie, indem er ihnen anbot, beim Redigieren zu helfen, sie ermutigte, Gedichte zu schreiben; die besten werde er in seiner Zeitschrift veröffentlichen. Er merkte ziemlich schnell, wer ihm misstraute, und ging diesen aus dem Weg. Die anderen fielen ihm wie reife Früchte in den Schoß. In seiner winzigen Einzimmerwohnung, wo er die neuen Opfer hinbestellte, war alles inszeniert. Musik, gedämpftes Licht, Minztee und ab und zu ein paar Joints, die Hand in Hand im Liegen geraucht wurden.

Malika, Tonys kleine Schwester, war eines sein