[13]2 Nordosteuropa im 17. Jahrhundert: das schwedische Imperium und der Niedergang Polens
1614 war erstmals vom schwedischenDominium maris baltici – der ›Ostseeherrschaft‹ die Rede. Der Hafen von Stockholm auf einem Gemälde von Bonaventura Peeters,1636
Spätestens seit den Zeiten der Hanse war die Ostsee ein Meer der Möglichkeiten: Sie ermöglichte kulturellen Austausch, schnellen Transport und umsatzstarken Handel. Entsprechend attraktiv war es, die Kontrolle über sie auszuüben. Anspruch darauf erhoben zunächst die dänischen Herrscher, die den Sund und damit die Zufahrt von der Nordsee zur Ostsee kontrollierten. Das brachte ihnen üppige Zolleinnahmen ein, die die Expansion nach Norwegen finanzierten. Dieser Reichtum rief natürlich Neider auf den Plan, und insbesondere der Nachbar Schweden erwies sich als überaus geschickt darin, den Dänen den Rang abzulaufen:1614 war erstmals die Rede vom schwedischenDominium maris baltici – der Ostseeherrschaft.
Dieser Aufstieg war auch deshalb möglich, weil südlich des Meeres die polnischen Adligen viel mehr an ihren eigenen Landbesitz dachten als an den Seehandel. Ihr Expansionsdrang führte sie nach Osten, gegen das Moskauer Zarenreich: Unter ihrem aus Schweden stammenden König Sigismund III.Wasa ritten polnische Husaren1610 in den Kreml[14]und konnten wenige Jahre später einen überaus vorteilhaften Frieden erzwingen.
Moskau wiederum wurde von allen Seiten bedrängt: Im Osten und Süden musste es sich der tatarischen Reitervölker erwehren, im Westen der Polen, und im Norden besetzte Schweden, zu dessen Territorium in jener Zeit auch das heutige Finnland gehörte, immer größere Teile des Baltikums und verweigerte den Zaren einen Zugang zum Meer. Von Stockholm aus wurden das heutige Estland und Lettland regiert, Karelien, Ingermanland und sämtliche Ostseeinseln, dazu Vorpommern sowie das an die Nordsee reichende Herzogtum Bremen-Verden. Die Zahl der Untertanen Schwedens blieb bescheiden, sie verteilten sich aber auf eine riesige Fläche. Gemeinsam mit Finnland hatte das Mutterland1,4 Millionen Einwohner, nochmals1,1 Millionen lebten auf der anderen Seite der Ostsee. Und während Stockholm57 000 Bewohner zählte, waren lediglich noch Riga, Reval, Stralsund und Stettin von nennenswerter Größe, wenn auch nur jeweils mit10 000–12 000 Menschen. Das war zwar nichts im Vergleich zu Metropolen wie London und Paris mit ihren Bevölkerungen von jeweils über einer halben Million, aber Schweden war nach seinen Eroberungen im Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) größer als etwa Brandenburg-Preußen mit2 Millionen, Dänemark-Norwegen mit1,5 Millionen oder Sachsen mit1,2 Millionen Einwohnern.
Riga war weit hinter Stockholm und neben Reval, Stralsund und Stettin eine der größeren schwedischen Städte im Ostseeraum. Ansicht der Stadt Riga, Kupferstich, um1700
Wie aggressiv und zudem erfolgreich S