: Xaver Ludwig Cocker
: Vierzig schwüle Nächte: Homoerotische Märchen aus dem Land der lila Liebeslust
: Yeoj Selbstverlag
: 9783752144123
: 1
: CHF 8.90
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 494
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Sieben schwule Männer flüchten sich in ein abgeschiedenes Haus, fern vom Trubel unruhiger Zeiten. Zur Zerstreuung beginnen sie, einander Märchen im homoerotischen Gewand zu erzählen. Darin geht es um ein mannstolles Schneiderlein, um Hänsel und Gerhold im Wald und um drei Nimmersatte. Natürlich dürfen auch der wollüstige Herr Wolf, der Teufel mit den drei goldenen Schamhaaren sowie Meister Holle nicht fehlen. Während die Geflüchteten munter drauflos fabulieren, ahnen sie nicht, dass sich ihr Vorhaben vierzig heiße Sommernächte lang hinziehen wird... Garniert werden die fantasievollen Abenteuer mit über 50 Illustrationen.

Xaver Ludwig Cocker: Es ist nicht klar, wer sich hinter diesem Namen verbirgt. Ist er ein renommierter Forscher der schwulen Kulturwissenschaft, in Fachkreisen hoch anerkannt von seinen Kollegen? Oder handelt es sich nur um das Pseudonym eines schüchternen Schreiberlings, der die Männerwelt mit sexy Stories beschenken will? Auf alle Fälle ist er jemand, der bereits vorab für eventuelle Tippfehler um Entschuldigung bittet.
Einführung und erste Nacht
Es ist eine schlechte Zeit für uns angebrochen, eine erheblich schlechte. Der Meinung ist auch Giovanni, einer meiner besten und ältesten Freunde. Unlängst hat er zu mir gesagt:
»Es sah die letzten Jahre so gut aus! Wir haben mehr Rechte bekommen, müssen uns nicht mehr verstecken. Wir sind in letzter Zeit in den Medien nicht nur akzeptiert worden, sondern werden wie gewöhnliche Menschen wahrgenommen. Und nun das!«
Was er mit »das« meint, lässt sich schwer in Worte fassen. Plötzlich finden wieder Anfeindungen und Schulzuweisungen statt. Einzelnen Etablissements ist es gestattet, uns auszugrenzen. Als »individuelle Lesermeinung« getarnt, veröffentlichen Zeitungen diskriminierende Äußerungen. Und keiner von uns kann den Finger auf eine bestimmte Ursache legen.
»Sind es die Politiker?«, fragt mich Giovanni. »Ist es eine extreme Gruppierung, die die Gesellschaft unterwandert? Oder gibt es eine neue Geschlechtskrankheit, vor der sich jedermann fürchtet und für die man einen Buhmann braucht?«
Er weiß es nicht und ich ebenso wenig. Mir scheint, es ist eine Mischung aus allem, was Giovanni nennt. Andere Bekannte hingegen meinen, wir als Schwule seien zu schnell vorgeprescht, zu weit gegangen. Was das Einfordern der Rechte sowie der Teilhabe am Alltagsleben angeht, hätten wir bescheidener auftreten sollen – sagen sogar Stimmen aus unserem eigenen Lager.
»Unser eigenes Lager«, klagt Giovanni. »Das klingt erstens, als seien wir im Krieg, und zweitens ist unsere schwule Lebenswelt zu vielfältig, als dass ein gemeinschaftliches Lager möglich ist.«
Ich wage die Äußerung, dass in seinen Worten die Antwort liegen könnte: Vielfältigkeit entzweit Gemeinschaft.
»Interessante These«, schmunzelt Giovanni. »Hilft uns aber konkret nicht weiter.«
Das stimmt. Soziologische Erklärungsmuster helfen uns nicht aus der Not. Die Stimmung wirkt aggressiv und es ist nicht klar, wann die verbale Gewalt in physische umschlagen wird.
»Die Facta und Realia lassen sich nicht schönreden«, sagt Giovanni. »Ich schlage deshalb vor: Wir müssen uns zurückziehen und hoffen, dass der Sturm sich bald legt. Wenn unsere Gesichter eine Zeitlang von der Bildfläche verschwinden, wird den Leuten eventuell bewusst, was sie Gutes an uns hatten. Oder sie merken wenigstens, dass ihre Probleme nicht aufhören, nur weil sie uns Schwule verjagt haben.«
Ich frage nach dem Wie und Wohin. Giovanni verrät mir, dass er in einem Wald ein Grundstück besitzt, das seit Jahren leer steht. Der Zugang sei vernachlässigt worden und mit dem Auto komme man durch das Dickicht kaum durch. Dort stehe ein Haus, das von außen wie eine Ruine wirke.
»Innen drin habe ich es aber herrichten lassen. Die Keller sind voller Konserven und Trinkwasser gibt es auch. Die Heizung ist zwar abgestellt, aber bei diesem heißen Sommer brauchen wir sie nicht. Die Fenster nach vorn sind beschlagen und zugenagelt, sodass kein Licht nach außen dringt.«
»Klingt, als würde dein Versteck nur wenig besser sein als der Knast«, witzele ich.
»Denkste!«, kichert Giovanni. »Nach hinten raus hat das Haus