: Horst Bosetzky
: -ky's Literarische Trostpflaster Geschichten für alle Lebenslagen
: Vergangenheitsverlag
: 9783864081972
: 1
: CHF 13.50
:
: Lexika, Nachschlagewerke
: German
: 276
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
-ky's Literarische Trostpflaster sind eine neue Mischung aus originalen Texten des Berliner Bestsellerautors, die mit viel Selbstironie und einer Prise Altersweisheit angereichert wurden. Die Literarischen Trostpflaster helfen dabei, sich weniger Sorgen zu machen und erhöhen Ihren Glückszustand. Alte und Junge, auch Kinder und schwangere Frauen, Väter und Mütter, eigentlich alle, können die Literarischen Trostpflaster zu sich nehmen, ohne Risiken in Kauf nehmen zu müssen. -ky\'s neue Geschichten werden in Situationen von Stress, Liebeskummer, Langeweile, Magengrummeln und vielen anderen allzu menschlichen Zuständen eingenommen. Man kann 4 Texte auf einmal direkt auf der Zunge zergehen lassen. Gegebenenfalls müssen weitere Texte alle 5-10 Minuten gelesen werden. Es besteht dabei keinerlei Risiko eine zu große Menge zu verzehren. -ky\'s Literarische Trostpflaster: Dutzende neue Geschichten von Horst Bosetzky für alle Lebenslagen und Notsituationen, über Familie und Freunde und das liebe Leben.

-ky (Dr. Horst Bosetzky) wurde am 1.2.1938 in Berlin-Neukölln geboren. Er ist Professor für Soziologie gewesen, Mitbegründer des 'Neuen deutschen Kriminalromans' und 'Erfinder' des 'Sozio-Krimis'. Seit 1971 zahlreiche (z. T. verfilmte) Kriminalromane (u. a. 'Einer von uns beiden', 'Stör die feinen Leute nicht', 'Kein Reihenhaus für Robin Hood', 'Wie ein Tier', 'Die Bestie vom Schlesischen Bahnhof'). Neun Bände umfassende Familiensaga um 'Brennholz für Kartoffelschalen' (als TB bei dtv). 1980 Preis für den besten deutschsprachigen Kriminalroman, 1988 Prix Mystère de la critique für den besten ausländischen Kriminalroman in französischer Sprache, 1992 Ehren-Glauser des SYNDIKATS für das Gesamtwerk und die Verdienste um den deutschsprachigen Kriminalroman. 2005 Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. 2014 ver.di-Literaturpreis für das Lebenswerk.

I. Geschichten für Leute mit Zweifeln am eigenen Namen oder die meinen, keine Wunschkinder zu sein


Meine Eltern, das waren Hildegard Bosetzky, geb. Schattan (* 11.6.1910 in Rixdorf, † 28.5.2009 in Berlin) und Otto Bosetzky (* 24.1.1906 in Züllichau/Unterweinberge, † 17.7.1968 in Berlin). Meine Mutter ist in der Muskauer Straße in Kreuzberg groß geworden, hat ein Lyzeum am Mariannenplatz und danach die Höhere Handelsschule besucht, um dann solange bei der AOK zu arbeiten, bis sie „gemaßregelt“ wurde, wie das damals hieß, also entlassen, weil ihr Vater/mein Großvater (Oskar) Jude war. Mein Vater war ein nichteheliches Kind, ist auf der Oder auf dem Schleppkahn seiner Tante und später in einem Kreuzberger Kohlenkeller aufgewachsen, hat bei der Reichspost das Handwerk des Telegraphenbauhandwerkers gelernt, ist später zur Gaußschule gegangen und ist dort, wie man heute sagt, Ingenieur (FH) geworden. Früh in die SPD eingetreten, hat er in Kreuzberg gegen die Nazis gekämpft und stand auf deren Abschussliste, wurde aber nicht aus dem Reichspostzentralamt (RPZ) entlassen, weil er für die kriegswichtige Produktion unentbehrlich war und seine Nazi-Vorgesetzten ihre Hand schützend über ihn hielten (bis er dann Anfang 1945 doch noch „eingezogen“ wurde, also Soldat werden musste).

Warum ich Horst (Otto, Oskar) heiße? Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass ich noch mit 77 Jahren darunter leide, zumal mein Sohn Sascha mir nach einem heftigen Streit einmal zugerufen hat: „Vater, du heißt nicht nur Horst, du bist auch ein Horst!“ Ein „Horst„ ist ja nicht nur in der Jugendsprache ein „Depp“ oder „Trottel“. „Sich zum Horst machen“ bedeutet, sich lächerlich zu machen, sich zu blamieren. Zwischenruf meiner – bei allen ganz besonders beliebten – Lehrerin für Deutsch und Latein: „Bosetzky, so wie Sie mit diesem Buch!“ Egal ... Und auch einen Zusammenhang mit dem Schwulsein gibt es, wenn man an den Witz denkt: „Wohin fliegt der schwule Storch? Zu seinem Horst.“ Es besteht aber auch eine eher tiefenpsychologische Vermutung für meine „Behorstung“: Meine Mutter hatte, wie gesagt, einen jüdischen Vater und eine jüdische Großmutter, und da war ihre Angst nicht ganz unberechtigt, einmal in ein KZ oder nach Theresienstadt verbracht zu werden oder in den Weiten des Ostens leben zu müssen. Also dachte sie, wenn ich meinen Sohn nach Horst Wessel nenne, dann bin ich mit Mann und Kind gerettet. Nicht zuletzt aus diesem Grunde bin ich froh, wenn Freunde -ky zu mir sagen.

Bei den eben angerissenen mörderischen politischen Umständen ist es verständlich, dass ich nicht gerade ein Wunschkind war, und so rutschte meiner Mutter einmal raus, ich sei nur ein „Rechenfehler“ gewesen, also ein Irrtum bei der Verhütung. Die Memoiren eines Rechenfehlers – wäre das nicht ein schöner Titel? Jetzt weiß ich jedenfalls, warum ich mit der Mathematik nie zurechtgekommen bin.

Nun zur ersten richtigen Anekdote. Meine Eltern waren begeisterte Paddler, hatten fast alle großen deutschen Flüsse befahren, und es wurde sogar gemunkelt, ich sei im Frühsommer 1937 in ihrem Faltboot gezeugt worden. Das erscheint mir, der ich selbst viele Sommer lang ... äh: gepaddelt bin, relativ unwahrscheinlich, selbst wenn man, was ich bei meinen Eltern ausschließen möchte, das Kamasutra sorgfältig studiert und ausprobiert hat.

Fast jeden Sonntag waren sie auf den Gewässern um Schmöckwitz unterwegs, ich mit meinen vier Jahren immer vorn im Boot zwischen den Knien meiner Mutter. Mein Vater führte über jeden im Boot zurückgelegten Kilometer sorgfältig Buch, weil es vom Kanuverband bei einer größeren absolvierten Strecke einen extra Wimpel gab, den er gern am Bug seines Schiffleins flattern sah. Von daher hatte er es gar nicht gern, wenn unnötig angelegt und Zeit verplempert wurde.

Da verspüre ich das, was er immer „ein menschliches Rühren“ genannt hat.

„Vati, ich muss dringend groß. Ich kann es nicht mehr aushalten.“

„Dann halte es eben ein.“

Das versuche ich dann auch, aber irgendwann auf dem großen Seddinsee will mein Afterschließmuskel nicht mehr mitspielen und ich verfahre nach dem Laissez-faire-Prinzip („Alles einfach so laufen lassen, wie es gerade kommt“).