InhaltsverzeichnisWie wir schlafen
Wann gingen die Menschen schlafen, bevor künstliches Licht den Tag immer weiter in die Nacht verschob? Folgt man den Untersuchungen des amerikanischen Historikers Roger Ekirch, schlief man in Europa bis zum achtzehnten Jahrhundert nicht am Stück durch, sondern unterbrach die Nachtruhe durch mindestens eine Phase längerer Aktivität – eine Beobachtung, die der folgende Auszug ausDon Quijote von Miguel de Cervantes belegt:
»Die Nacht war ziemlich finster, obgleich der Mond am Himmel stand, freilich nicht an einer Stelle, wo man ihn sehen konnte; denn manchmal geht Frau Diana bei den Gegenfüßlern spazieren und lässt die Waldberge schwarz und die Täler dunkel. Don Quijote entrichtete der Natur seinen Zoll, indem er dem ersten Schlummer unterlag, aber den zweiten gestattete er sich nicht; ganz im Gegensatze zu Sancho, der einen zweiten Schlaf nicht kannte, weil bei ihm der erste vom Abend bis zum Morgen dauerte, worin sich seine kräftige Gesundheit und sein Mangel an Sorgen zeigte.«
Wie Ekirch herausgefunden hat, lässt sich dieses Schlafmuster nicht etwa nur bis in die Zeit des frühen Christentums zurückverfolgen, als Mönche für nächtliche Gebete aufstehen mussten, sondern bis in die Spätantike.
Die Zeit des Wachens mitten in der Nacht konnte mit Rauchen, Besuch von Nachbarn, Feuermachen, Gebeten, intimem Beisammensein und vermutlich auch mit dem Nachdenken über die eigenen Träume verbracht werden: »Wenn die Menschen aus ihrem ›Mitternachtsschlaf‹ erwachten, blickten sie häufig wie durch ein Kaleidoskop auf die leicht verschwommenen, aber plakativen Bilder ihrer Träume. Wie schon in der Antike spielten Träume auch in der Neuzeit eine wichtige Rolle. Man glaubte, dass sie die Zukunft wie auch die Vergangenheit enthüllten, schätzte deren prophetische Qualitäten und die Möglichkeit, über die Träume ein tieferes Verständnis für den Zusammenhang zwischen Körper und Seele zu erlangen«, so Ekirch.
Kriminelle nutzten die Gelegenheit, um zu dieser Zeit leere Geschäfte zu plündern, Brennholz zu stehlen oder Früchte von den Bäumen zu holen. Andere, wie der Landwirt Henry Best of Elmswell im 17. Jahrhundert, gingen nach draußen, um herumstreunende Tiere von ihren Feldern zu vertreiben.
Mit der zunehmenden Verfügbarkeit von künstlichen Lichtquellen veränderte sich diese Aufteilung der Nacht, vor allem in den Städten. Ekirch datiert dies auf das 18. Jahrhundert. Bei Charles Dickens gibt es eine andere Unterscheidung: Da ist die Nacht »der Lichter und Vergnügen«, in der sich die Menschen zusammenfinden, und die andere, die sich mit »Schuld und Dunkelheit« verbindet.
Über den Schlaf werden mitunter gewagte Hypothesen aufgestellt. Manche Menschen sind davon überzeugt, auf Vorrat schlafen zu können – sie wagen den Vergleich mit den Kamelen, die es verstehen, Wasservorräte zu tanken. Das Sprichwort »Sechs Stunden Schlaf für einen Mann, sieben für eine Frau, acht für einen Narren« wird manchmal Napoleon Bonaparte zugeschrieben, der in Zeiten hoher Belastung nachts sogar nur vier Stunden geschlafen haben soll. Der enorm produktive Leonardo da Vinci soll – so geht zumindest eine nicht belegte Legende – nur alle vier Stunden für jeweils zwanzig Minuten, insgesamt sechsmal, also zwei Stunden pro Tag geruht haben. Dieser polyphasige Schlaf wird auch als Uberman (»Übermensch«)-Schlafmuster bezeichnet (und soll hier bestimmt nicht zur Nachahmung empfohlen werden). Schlafforscher verweisen darauf, dass längere Erholungsphasen (bei allen individuellen Unterschieden) unbedingt notwendig sind, wenn man eine Zeitlang mit sehr kurzen Schlafphasen auskommen musste.
Die Liste der Mittel