: Bernd Brunner
: Das Buch der Nacht
: Verlag Kiepenheuer& Witsch GmbH
: 9783462000191
: 1
: CHF 24.00
:
: Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
: German
: 192
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Eine faszinierende Reise durch die Nacht - zwischen Mythologie, Biologie und Kulturgeschichte Mit dem Einbruch der Dunkelheit beginnt eine Zeit, in der sich die gewohnten Koordinaten unserer Wahrnehmung verschieben. In Das Buch der Nacht streift Bernd Brunner durch die wundersamen Stunden zwischen Dämmerung und Morgengrauen und beleuchtet unser Verhältnis zur Nacht auf dem faszinierenden Grenzgebiet zwischen Geschichte, Mythologie, Biologie und Literatur. Jahrtausendelang gab die Natur einen festen Rhythmus vor. Am Tag herrschte rege Geschäftigkeit - doch nach Sonnenuntergang sank alles in die geheimnisvolle Welt des Schlafs und der Träume. Nur nachtaktive Geschöpfe und leidenschaftliche Noctivaganten wie Goethe, der bei Mondschein schwimmen ging, genossen die Dunkelheit. Aktivitäten der Nacht haftete stets etwas Subversives, Verbotenes, Aufregendes an. Doch mit der Erfindung künstlicher Beleuchtung kam der Nacht immer mehr ihr Mythos abhanden. Straßenlaternen machten die Nacht zum Tag und echte Finsternis finden wir heutzutage nur noch an entlegenen Orten oder paradoxerweise in künstlich geschaffenen Umgebungen wie Nachttierhäusern oder Dunkelrestaurants. Begeben Sie sich mit Das Buch der Nacht auf eine faszinierende Entdeckungsreise voller mystischer Nachtgestalten, Aberglaube und Bräuche und lassen Sie sich von den Geheimnissen der Nacht bis heute in ihren Bann ziehen.

Bernd Brunner, 1964 geboren, schreibt vielbeachtete, höchst unterhaltsame Bücher an der Schnittstelle von Kultur und Wissenschaftsgeschichte. Bei Galiani sind Die Kunst des Liegens (2012), Ornithomania (2015), Als die Winter noch Winter waren (2016) und Die Erfindung des Nordens (2019) erschienen. Seine Bücher sind in zahlreiche Sprachen übersetzt. Er lebt in Berlin. 
Inhaltsverzeichnis

Wie wir schlafen


Wann gingen die Menschen schlafen, bevor künstliches Licht den Tag immer weiter in die Nacht verschob? Folgt man den Untersuchungen des amerikanischen Historikers Roger Ekirch, schlief man in Europa bis zum achtzehnten Jahrhundert nicht am Stück durch, sondern unterbrach die Nachtruhe durch mindestens eine Phase längerer Aktivität – eine Beobachtung, die der folgende Auszug ausDon Quijote von Miguel de Cervantes belegt:

»Die Nacht war ziemlich finster, obgleich der Mond am Himmel stand, freilich nicht an einer Stelle, wo man ihn sehen konnte; denn manchmal geht Frau Diana bei den Gegenfüßlern spazieren und lässt die Waldberge schwarz und die Täler dunkel. Don Quijote entrichtete der Natur seinen Zoll, indem er dem ersten Schlummer unterlag, aber den zweiten gestattete er sich nicht; ganz im Gegensatze zu Sancho, der einen zweiten Schlaf nicht kannte, weil bei ihm der erste vom Abend bis zum Morgen dauerte, worin sich seine kräftige Gesundheit und sein Mangel an Sorgen zeigte.«

Wie Ekirch herausgefunden hat, lässt sich dieses Schlafmuster nicht etwa nur bis in die Zeit des frühen Christentums zurückverfolgen, als Mönche für nächtliche Gebete aufstehen mussten, sondern bis in die Spätantike.

Die Zeit des Wachens mitten in der Nacht konnte mit Rauchen, Besuch von Nachbarn, Feuermachen, Gebeten, intimem Beisammensein und vermutlich auch mit dem Nachdenken über die eigenen Träume verbracht werden: »Wenn die Menschen aus ihrem ›Mitternachtsschlaf‹ erwachten, blickten sie häufig wie durch ein Kaleidoskop auf die leicht verschwommenen, aber plakativen Bilder ihrer Träume. Wie schon in der Antike spielten Träume auch in der Neuzeit eine wichtige Rolle. Man glaubte, dass sie die Zukunft wie auch die Vergangenheit enthüllten, schätzte deren prophetische Qualitäten und die Möglichkeit, über die Träume ein tieferes Verständnis für den Zusammenhang zwischen Körper und Seele zu erlangen«, so Ekirch.

Kriminelle nutzten die Gelegenheit, um zu dieser Zeit leere Geschäfte zu plündern, Brennholz zu stehlen oder Früchte von den Bäumen zu holen. Andere, wie der Landwirt Henry Best of Elmswell im 17. Jahrhundert, gingen nach draußen, um herumstreunende Tiere von ihren Feldern zu vertreiben.

Mit der zunehmenden Verfügbarkeit von künstlichen Lichtquellen veränderte sich diese Aufteilung der Nacht, vor allem in den Städten. Ekirch datiert dies auf das 18. Jahrhundert. Bei Charles Dickens gibt es eine andere Unterscheidung: Da ist die Nacht »der Lichter und Vergnügen«, in der sich die Menschen zusammenfinden, und die andere, die sich mit »Schuld und Dunkelheit« verbindet.

Über den Schlaf werden mitunter gewagte Hypothesen aufgestellt. Manche Menschen sind davon überzeugt, auf Vorrat schlafen zu können – sie wagen den Vergleich mit den Kamelen, die es verstehen, Wasservorräte zu tanken. Das Sprichwort »Sechs Stunden Schlaf für einen Mann, sieben für eine Frau, acht für einen Narren« wird manchmal Napoleon Bonaparte zugeschrieben, der in Zeiten hoher Belastung nachts sogar nur vier Stunden geschlafen haben soll. Der enorm produktive Leonardo da Vinci soll – so geht zumindest eine nicht belegte Legende – nur alle vier Stunden für jeweils zwanzig Minuten, insgesamt sechsmal, also zwei Stunden pro Tag geruht haben. Dieser polyphasige Schlaf wird auch als Uberman (»Übermensch«)-Schlafmuster bezeichnet (und soll hier bestimmt nicht zur Nachahmung empfohlen werden). Schlafforscher verweisen darauf, dass längere Erholungsphasen (bei allen individuellen Unterschieden) unbedingt notwendig sind, wenn man eine Zeitlang mit sehr kurzen Schlafphasen auskommen musste.

Die Liste der Mittel