: Marc Dressler
: Ich im Paradies
: Tredition
: 9783347290266
: 1
: CHF 3.60
:
: Science Fiction, Fantasy
: German
: 444
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Mannfred Acuno?lu, ein farbiger Industriekaufmann aus Stuttgart, macht sich in einem chicen Raumgleiter auf den Weg ins Paradies. Sein Arbeitgeber, eine Künstliche Intelligenz, die das Geschehen auf der Erde kontrolliert, hat Mannfred gestattet, sich im gesamten Universum den Ort auszusuchen, an dem er den Rest seines Lebens verbringen möchte. Dorthin begleitet den Schwaben ein Wesen, das der KI in allen Belangen überlegen ist; nicht weil es schneller denkt, sondern weil es anders denkt - in N0ll, einer Sprache, die ohne die Null auskommt und das Krümmen der Zeit ermöglicht. Was sich wie eine vom Glück gesponserte Kaffeefahrt anlässt, wird für das ungleiche Paar rasch zu einer existenziellen Odyssee. Denn die Suche nach dem Paradies erweist sich für Mannfred als Suche nach sich selbst, auf der er den Geheimnissen der Azteken nachspürt, Cranach, Bosch und Brueghel begegnet, sich mit der Pfützner-Malinka-Theorie auseinandersetzt, im Vorübergehen die Riemann-Hypothese beweist und auf ein wenig bekanntes, in Hexametern abgefasstes Paradiesepos aus dem 17. Jahrhundert stößt. Konfrontiert mit seiner verschollenen Vergangenheit nimmt Mannfreds Persönlichkeit im selben Maße Gestalt an, wie seine Familienverhältnisse sich klären. Doch sehr zu Mannfreds Missfallen entpuppt sich diese als eine ihm völlig fremde und unheimliche Persönlichkeit. Um dem Einhalt zu gebieten, fasst Mannfred einen mörderischen Plan. Derweil verfolgt die KI mit ihm ganz eigene Pläne. Die allerdings hat der mysteriöse Skede schon mehrfach durchkreuzt. Wer letzten Endes den Masterplan hat, und wo sich das Paradies befindet, beginnt Mannfred erst zu ahnen, als es schon zu spät scheint. Da kann ihn nur noch ein zu allem entschlossener Leser vor sich selbst retten.

Dr. Marc Dressler (Jg. 1970) lebt und arbeitet als Wissenschaftsjournalist in Stuttgart, wo er auch geboren ist. Studiert hat er Philosophie, Biologie, Physik, Mathematik, Jura, Volkswirtschaftslehre, Psychologie, Angewandte Kulturwissenschaft und Kulturmanagement in Heidelberg, Konstanz, Barcelona, Wien, Karlsruhe, Oslo, Hagen, Rotterdam, Madrid, Hohenheim und Mannheim, wo er insgesamt sieben Universitätsabschlüsse erworben hat. Außer der Wissenschaft haben Sport und Sprachen den Lebensweg des Sozialdemokraten geprägt. Der ehemalige Quarterback der Studierendennationalmannschaf hält lokale leichtathletische Rekorde und beherrscht ein Dutzend Sprachen. Für Zeitungen und Zeitschriften schreibt Dressler seit seiner Schulzeit am Gymnasium, von dem er mit 16 Jahren per Schulverweis geflogen ist.

7raum

Vorne ich, dahinter das Universum. Ich betrachte das Selfie auf dem Display meines Vidphones. Die etwas herausgewachsenen Braids enthüllen einen grauen Haaransatz auf dem Scheitel, wo einzig das Haar in sich kreuzenden Linien wachsen darf; ansonsten ist mein Mulattenhaupt akkurat auf 1,5 mm getrimmt. Die Tätowierungen hinter den Ohren sind trotz Rasur aus perspektivischen Gründen nicht zu sehen, dafür der Brilli auf dem linken Schneidezahn, der mit den Sternen im Hintergrund um die Wette glitzert. Außer dem Zahnschmuck trage ich kein Geschmeide, schließlich bin ich kein verkrüppelter Weihnachtsbaum, den man unter Lametta begraben und verstecken muss. Ich baue voll und ganz auf die natürliche Schönheit meiner Mom, die sie mir in winzigen Basentripletts mit auf den Lebensweg gegeben hat; davon hätte freilich schon ein weit geringerer Bruchteil ausgereicht, um richtig gut auszusehen. Ich grinse in mich hinein und drücke mit dem Daumen erneut auf den Auslöser. Unmittelbar darauf bekomme ich das Photo im Display präsentiert – und das Grinsen gefriert mir im Gesicht.

Auch das Grinsen des Mace, der mir von meinem Vidphone her entgegengrinst, ist eingefroren. Allerdings aus technischen Gründen. Mein Grund ist ein anderer: auf meine grinsende Visage wirft im Photo eine fremde Hand ihren Schatten, die Finger weit auseinandergespreizt, als würde sie nach mir greifen.

Ich reiße das Vidphone runter aus meinem Gesichtsfeld und schaue nach links, nach rechts, nach oben und nach unten: nichts. Null und nichts. Ungläubig studiere ich die Aufnahme, die ich erst zurückrufen muss, weil sie bereits erloschen war: Ganz eindeutig der Schatten einer Hand. Der Handteller bedeckt im Schattenwurf Teile der Schulter und des Halses, während die Finger ausgreifen über Mund und Nase, bis unter die Stirn; wenn ich einen Ausschnitt heranzoome, kann ich sogar die Fingernägel erkennen.

Ungläubig und fassungslos senke ich das Vidphone in den bis zum Steißbein verspannten Schoß, bevor es meinen zitternden Händen entgleitet. Das Nachbild des Photos aber steht mir noch immer lebhaft vor Augen.