2. Menschenbild und Bildungsverständnis
in der Naturraumpädagogik
2.1 Naturraumpädagogik als Handlungskonzept
Im Mittelpunkt jedes frühpädagogischen Ansatzes steht das Kind. Das Bild vom Kind, das in einer Einrichtung vorherrscht, prägt die jeweilige pädagogische Ausrichtung. Jeder Erwachsene, der mit Kindern umgeht und mit ihnen Bildungsprozesse gestaltet, ist auf- und herausgefordert, sich Gedanken über das eigene Bild vom Kind zu machen. Die eigene Kindheit, persönliche Erfahrungen und Lebenshintergründe spielen dabei eine Rolle.
Pädagogische Teams haben die Aufgabe, sich über ihre Vorstellungen auszutauschen und sich über das Bild vom Kind zu verständigen, das in der Einrichtung von allen gelebt wird. Dass dieser Austausch kontinuierlich zu reflektieren ist, ergibt sich nicht nur durch personelle Veränderungen im Team, persönliche Weiterentwicklung und einen sich permanent erweiternden Erfahrungshorizont, sondern ist gleichsam eine pädagogische Pflicht.
Veränderte Kindheit
„Zweierlei hatten wir, das unsere Kindheit zu dem gemacht hat, was sie gewesen ist – Geborgenheit und Freiheit. Wir fühlten uns geborgen bei diesen Eltern, die einander so zugetan waren und stets Zeit für uns hatten, wenn wir sie brauchten, uns im Übrigen aber frei und unbeschwert auf dem wunderbaren Spielplatz, den wir in dem Näs unserer Kindheit besaßen, herumtollen ließen. Gewiss wurden wir in Zucht und Gottesfurcht erzogen, so wie es dazumal Sitte war, aber in unseren Spielen waren wir herrlich frei und nie überwacht. Und wir spielten und spielten und spielten, sodass es das reine Wunder war, daß wir uns nicht totgespielt haben. Wir kletterten wie die Affen auf Bäume und Dächer, wir sprangen auf Bretterstapel und Heuhaufen, daß uns die Eingeweide nur so wimmerten, wir krochen quer durch riesige Sägemehlhaufen, lebensgefährliche, unterirdische Gänge entlang, und wir schwammen im Fluss, lange bevor wir überhaupt schwimmen konnten“ (Lindgren 2004, S. 44 f.).
Astrid Lindgrens Schilderungen ihrer Kindheit machen deutlich, wie sehr sich seit damals die Lebenswirklichkeit von Kindern verändert hat. „Kinder wachsen heute in einer kulturell vielfältigen, sozial komplexen und hoch technisierten Welt auf, die beschleunigten Wandel aufweist“ (BayBEP 2013, S. 5). Sie haben es heute ungleich schwerer, sich selbst und die Natur intensiv zu erleben. Vor allem ihre Chancen auf spontane Spiele in der Natur und ihrem direkten Umfeld schwinden. Zum einen, weil häufig nahgelegene, natürliche Spielräume fehlen; zum anderen, weil Kinder durch Ganztagsbetreuung oder zahlreiche Aktivitäten in Vereinen, durch die Teilnahme an Förderangeboten und Freizeitkursen weniger Zeit finden, um ungezwungen und spontan draußen mit Freunden zu spielen. Die Freizeit der Kinder ist heute weitgehend verplant und von Erwachsenen vorstrukturiert.
Noch in der Generation heutiger Eltern war es möglich, sich als Kind das eigene Wohnumfeld meist zu Fuß in sich ständig erweiternden Radien zu erschließen. Heute wird die Lebenswelt der Kinder zu verinselten Erfahrungsräumen konstruiert. Diese sind meist für die Kinder nicht mehr eigens