: Christoph Cornelißen, Andreas Fahrmeir
: Vom Konklave zum Assessment-Center Personalentscheidungen im historischen Wandel
: wbg Academic in der Verlag Herder GmbH
: 9783534273812
: 1
: CHF 35.60
:
: Sonstiges
: German
: 272
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Moderne hat aus der Suche nach dem perfekten Führungspersonal eine Wissenschaft gemacht und scheint Personalentscheidungen gut im Griff zu haben. Aber war Donald Trump der perfekte Präsident, Markus Braun (Wirecard) der beste Manager, Franz-Peter Tebartz-van Elst der optimale Bischof? Vielleicht wären das Losverfahren oder die Erbschaftsfolge manches mal nicht doch sinnvoller? Was passiert aber, wenn man die Perspektive umdreht und das Scheitern von Verfahren der Personalauswahl in den Mittelpunkt stellt? Die historischen Fallstudien dieses Buches - von der Spätantike bis heute - machen überraschend deutlich, dass jedes noch so durchdachte Verfahren zur Rekrutierung von Spitzenpersonal Vor- und Nachteile hat und daher mit gutem Grund unterstützt wie kritisiert werden kann - auch wenn die Kritik nicht immer zu Veränderungen führt. Mit Beiträgen u.a. von: Christoph Cornelißen, Birgit Emich, Andreas Fahrmeir, Hartmut Leppin, Werner Plumpe, Tristan Schmidt, Dawid Wierzejski u.a.

Christoph Cornelißen lehrt als ordentlicher Professor für Neueste Geschichte an der Universität Frankfurt, wo er von 2017 bis 2019 als Dekan tätig war. Von 2011 bis 2017 war er Mitglied im Senat und Hauptausschuss der DFG. Momentan ist er Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Heidelberger Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebe t-Gedenkstätte, der Historischen Kommission für Nassau und der Frankfurter Historischen Kommission. Seit 2021 ist er Mitglied im Beirat des Deutschen Historischen Instituts in Rom.

Einleitung – Personalentscheidungen und ihr Scheitern


Andreas Fahrmeir

Personalentscheidungen, das klingt nach einem abstrakten, etwas trockenen Thema. Die Bilder, die einem zunächst in den Sinn kommen, haben in erster Linie mit Personalabteilungen, Aktenstapeln oder »[F]ace-to-screen-Interaktion mit den eingegangenen Lebensläufen«1 zu tun. Sie lassen an eigene Bewerbungsgespräche, Aushandlungen mit zuständigen Gremien und an eine spezialisierte Forschungsrichtung denken, die sich mit der Optimierung (vorwiegend betrieblicher) Personalentscheidungen beschäftigt und die in Foren wie derZeitschrift für Personalforschung, demInternational Journal of Selection& Assessment und zahlreichen weiteren Periodika verhandelt wird. Vornehmlich beschäftigen diese sich mit Arbeits- und Organisationspsychologie. Ohne Zweifel, Personalentscheidungen sind wichtig. Dazu passt das Klischee, dass »Mitarbeiter« das »wichtigste« oder »wertvollste« Kapital eines Unternehmens sind – zumindest wies Google am 16. April 2021 mehrere Tausend Seiten auf, auf denen sich große und kleine Unternehmen diese »Lebenslüge vieler Chefs« zu eigen machten.2 Gleichzeitig klingen derartige Texte sehr technisch, sodass Gesprächspartner beim Stichwort rasch einen etwas abwesenden Blick bekommen.

Das steht im Gegensatz zur Bedeutung, die immer wieder einzelnen Personalentscheidungen zugeschrieben wird: So schienen sich die Probleme der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die 2020/21 in den Insolvenzfällen Wirecard und Greensill Bank deutlich wurden, im Kern durch eine Neubesetzung des Leitungspostens beheben zu lassen, also mit dem Ersatz einer im Rückblick offenbar nicht richtigen Personalentscheidung durch eine bessere. Darin liegt gewiss ein Element der rhetorischen Personalisierung von strukturellen Entwicklungen, das leicht zu dekonstruieren ist: Je größer eine Organisation wird, desto unwahrscheinlicher ist es, dass eine einzige Person an Fehlentwicklungen alleine schuld sein kann – schon deshalb, weil sie gar nicht die Möglichkeit hätte, einen Überblick über alle Vorgänge zu haben.

Es steht aber auch im Gegensatz zu der Bedeutung, die Personalentscheidungen dann gewinnen, wenn sie im Widerspruch zu gesellschaftlichen Erwartungen stehen, etwa durch die Bevorzugung bestimmter Gruppen gegenüber anderen, die diese Dis