Der Autobus Richtung Lingotto fährt vom Bahnhof Porta Nuova ab. Vor dem Bahnhofsgebäude mit seinem großen Rundfenster setzen sich die Arkaden der Via Roma fort, und wie an fast jeder Ecke in der Innenstadt staunt man über die architektonische Geschlossenheit der Straßenzüge. Seit 1621 wachte eine Behörde über die Pläne der Architekten und achtete darauf, dass die berühmten Baumeister die Formensprache respektierten. Die savoyischen Könige wollten einen hohen Stil. Schließlich war Turin eine moderne Residenzstadt mit einem großen Verwaltungsapparat, und überall sollte es wie bei einem Fürstenpalast Kolonnaden, Säulenordnungen, Blickachsen und Gliederungen der Fassaden geben. Das konnte nicht einmal Paris bieten. Alles wurde bedacht, auch die Auflockerung der kühlen Linearität durch Kirchen, kleine Parks, Springbrunnen oder Plätze mit Reiterstandbildern. Hundert Jahre dauerte die Bauzeit, und man kann Tage damit verbringen, nach den Abstufungen zwischen der Klarheit im Stil Palladios, den kurvigen Schleifen des Barock und den strengen Proportionen des Klassizismus zu suchen. Selbst vom Bus aus verfängt sich der Blick in geschwungenen Portalen und Kapitellen. Auf der Via Nizza werden die Wohnhäuser nach und nach bescheidener. Hier baute der Ingenieur Giacomo Matté-Trucco, ein Vertreter des Rationalismus, ab 1916 im Auftrag von Giovanni Agnelli nach dem Vorbild der Ford-Niederlassung in Highland Park, Michigan, eine neue Fabrik. Sie bekam den Namen des Viertels, in dem sie lag. 1923 wurde der Lingotto eingeweiht. Das über fünfhundert Meter lange, fünfstöckige Gebäude mit den großen Fensterreihen, zwei Ecktürmen und einer Teststrecke auf dem Dach wurde zu einem Symbol für den technischen Fortschritt. Streng, klar, konzentriert, so wirkt es noch heute. Die Fabrik war für die neue Serienproduktion gedacht und funktionierte nach dem Prinzip der vertikalen Fertigung: auf jeder Etage wurde eine Etappe der Herstellung durchlaufen, vom Erdgeschoss bis zu den Fließbändern im fünften Stock und der Probefahr