: Maike Albath
: Der Geist von Turin Pavese, Ginzburg, Einaudi und die Wiedergeburt Italiens nach 1943
: Berenberg Verlag GmbH
: 9783949203046
: 1
: CHF 16.60
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: Essays, Feuilleton, Literaturkritik, Interviews
: German
: 224
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
In Mussolinis Italien, im Schatten der Fabriken von Fiat und ­Olivetti, begegneten sich in den dreißiger Jahren in Turin ein paar gebildete ­junge Leute. Sie gründeten Zeitschriften und Verlage, schrieben ­kritische ­Artikel, nahmen Verbannung und ­Gefängnis auf sich und fühlten sich als Avantgarde. Und das waren sie: Aus dem Kreis um Cesare Pavese, Leone und Natalia Ginzburg und dem Einaudi-Verlag kam jener Geist, der nach 1945 das Klima intellektueller Freiheit in Italien wesentlich ­geprägt hat. Maike Albath, die Italien kennt und liebt, beschwört in ­ihrem Buch die Stadt und die einmalige geistige Landschaft, in der diese stolze Episode aus Italiens jüngerer Geschichte ihren Lauf nahm. 'Ein klug komponiertes Buch, das glänzende biographische Miniaturen enthält.' Hans Woller, Neue Zürcher Zeitung 'Ein gewagtes Unternehmen schillert hier verlockend zwischen Hommage, ­biographischer Skizzenfolge, lockeren Apropos und der Präsentation eines ­faszinierenden Kapitels europäischer Geistesgeschichte.' Joseph Hanimann, Frankfurter Allgemeine Zeitung

Maike Albath, geboren 1966 in Braunschweig, lebt in Berlin. Sie hat mehrere Jahre in Turin und Padua gelebt und ist eine der profiliertesten Kennerinnen der italienischen Gegenwartskultur.Ihre Arbeit als Literaturkritikerin wurde 2003 mit dem Alfred-Kerr-Preis belohnt.

AUTOS und FABRIKEN.


MUSSOLINIS Aufstieg


Der Autobus Richtung Lingotto fährt vom Bahnhof Porta Nuova ab. Vor dem Bahnhofsgebäude mit seinem großen Rundfenster setzen sich die Arkaden der Via Roma fort, und wie an fast jeder Ecke in der Innenstadt staunt man über die architektonische Geschlossenheit der Straßenzüge. Seit 1621 wachte eine Behörde über die Pläne der Architekten und achtete darauf, dass die berühmten Baumeister die Formensprache respektierten. Die savoyischen Könige wollten einen hohen Stil. Schließlich war Turin eine moderne Residenzstadt mit einem großen Verwaltungsapparat, und überall sollte es wie bei einem Fürstenpalast Kolonnaden, Säulenordnungen, Blickachsen und Gliederungen der Fassaden geben. Das konnte nicht einmal Paris bieten. Alles wurde bedacht, auch die Auflockerung der kühlen Linearität durch Kirchen, kleine Parks, Springbrunnen oder Plätze mit Reiterstandbildern. Hundert Jahre dauerte die Bauzeit, und man kann Tage damit verbringen, nach den Abstufungen zwischen der Klarheit im Stil Palladios, den kurvigen Schleifen des Barock und den strengen Proportionen des Klassizismus zu suchen. Selbst vom Bus aus verfängt sich der Blick in geschwungenen Portalen und Kapitellen. Auf der Via Nizza werden die Wohnhäuser nach und nach bescheidener. Hier baute der Ingenieur Giacomo Matté-Trucco, ein Vertreter des Rationalismus, ab 1916 im Auftrag von Giovanni Agnelli nach dem Vorbild der Ford-Niederlassung in Highland Park, Michigan, eine neue Fabrik. Sie bekam den Namen des Viertels, in dem sie lag. 1923 wurde der Lingotto eingeweiht. Das über fünfhundert Meter lange, fünfstöckige Gebäude mit den großen Fensterreihen, zwei Ecktürmen und einer Teststrecke auf dem Dach wurde zu einem Symbol für den technischen Fortschritt. Streng, klar, konzentriert, so wirkt es noch heute. Die Fabrik war für die neue Serienproduktion gedacht und funktionierte nach dem Prinzip der vertikalen Fertigung: auf jeder Etage wurde eine Etappe der Herstellung durchlaufen, vom Erdgeschoss bis zu den Fließbändern im fünften Stock und der Probefahr