Kapitel 2
Die streng puritanischen Regeln in unserer Familie haben es nicht zugelassen, dass in irgendeiner Form über Sex gesprochen wurde, vor allem nicht im Beisein von Robbie. Sex wurde totgeschwiegen, und mit ihm alles, was auch entfernt mit Sex zu tun hatte. Wir waren eine sexfreie Familie mit einer einzigen Ausnahme, wenn nämlich Keith über mich hergefallen ist und mich wie eine Maschine gefickt hat. Erst als mein Mann ausgezogen war, kehrte ein wenig Gedankenfreiheit zurück. Die Rückkehr zur Normalität einer Familie ereilte uns aber eines Tages, als ich das Haus saubermachte und Robbies Zimmer aufräumte.
Ich putzte das Fenster seines Zimmers, räumte ein wenig auf und trug die getragene Kleidung für die Wäsche zusammen. Als ich seinen Pyjama aufhob und schaute, ob vielleicht ein Papiertaschentuch in seinen Taschen war, was öfters vorkam, berührte ich mit den Fingerspitzen einen Teil des Stoffes, der merkwürdig steif war. Ohne mir etwas dabei zu denken, schaute ich mir die Stelle näher an, denn beim ersten Hinschauen konnte ich auf dem grau und blau gestreiften Stoff nichts erkennen. Im Licht des Fensters trat die Wahrheit aber schnell zutage.
Was meine Aufmerksamkeit erregt hatte, war ein handtellergroßer Fleck, der ganz offensichtlich aus getrocknetem Sperma bestand. Ich kannte das Phänomen von Keith, meinem Ex-Gatten. Wenn wir gefickt hatten, tropfte manchmal Sperma nach und versickerte entweder im Bettlaken oder in seiner Wäsche. Die daraus entstandenen Flecken waren mit dem, den ich jetzt gerade in Augenschein genommen hatte, absolut identisch.
Ich hatte vor, kein großes Aufhebens zu machen. Schließlich war Robbie ein junger Mann, der unablässig Sperma produzierte. Weiß der Herrgott, ob er selbst nachgeholfen oder ob er eine nächtliche Ejakulation gehabt hatte, dachte ich und überlegte, ob ich stillschweigend darüber hinwegsehen sollte. Da geschah aber etwas in mir, was ich mir bis heute nicht erklären kann: Ich fiel, was meine Reaktion anbetraf, in die puritanisch strenge Zeit zurück, die während meiner Ehe mit Keith herrschte. Wie eine Furie riss ich die Pyjamahose an mich, führte den Fleck an meine Nase, suchte den Duft von Sperma, was jedoch gründlich misslang, und beschloss, meinen geliebten Sohn in aller Schärfe zur Rede zu stellen. Ich war in Sekundenbruchteilen in alte Muster verfallen.
Das ist eine hochinteressante Reaktion: Phyllis wird bei dem Gedanken, dass es sich um das Sperma ihres Sohnes handelt, erregt. Wahrscheinlich gefällt ihr nicht nur der Gedanke, dass es sich um das Ejakulat ihres eigenen Kindes handelt, sondern auch die Vorstellung, wie es da hingekommen ist, nämlich höchstwahrscheinlich durch aktives Zutun.
Da ist aber noch eine Erregung auf einer ganz anderen Ebene. Sie verfällt in alte Muster und will ihren Sohn unter dem Deckmäntelchen puritanischer Moral zur Rede stellen. Dahinter verbirgt sich wahrscheinlich eine Art von Lust, den unschuldigen und unerfahrenen Sohn in die peinlichste aller Lagen zu bringen, die es für einen Menschen gibt: sich über seine eigene Sexualität zu äußern.
Wenn ich mit meiner Vermutung richtig liege, dann lernen wir noch eine Mutter kennen, die zu wesentlich mehr in der Lage ist.
»Robbie, kommst du mal!«, rief ich gespielt freundlich, aber mit aller Strenge, die man in eine Stimme legen kann.
»Gleich, Mom«, rief er von unten zurück.
»Nicht gleich, sofort!«
Robbie kam aus der Küche, nahm zwei Stufen auf einmal die Treppe hoch zu seinem Zimmer und meldete sich brav wie ein Rekrut. »Was gibt es denn so Wichtiges?«, fragte er unschuldig.
Ich hielt ihm die Hose vor das Gesicht, deutete mit einem Finger auf den Fleck und fragte in geradezu militärischem Ton: »Was ist das für eine Sauerei hier? Ich möchte eine Erklärung von dir!«
Robbie war total verunsichert. »Ich weiß nicht, was du meinst, Mom. Was machst du mit meiner Pyjamahose?«
»Auf der Vorderseite dieser Hose ist ein Fleck, und ich will von dir wissen, wie der dahin gekommen ist. Und erzähl mir nicht, du siehst ihn jetzt das erste Mal.«
Ich war viel zu streng, wie ich heute weiß, aber damals … damals … in dieser Situation hat es mir sogar Spaß gemacht, ihn so ins Verhör zu nehmen. Ich weiß, das war verkehrt, aber es war nun mal so.
»Was für ein Fleck, Mom?« Robbie stellte sich unwissend, was die einzige Möglichkeit war, Zeit zu gewinnen, um sich die richtige Ausrede zurechtzulegen.
»Diesen Fleck hier!«, wiederholte ich mit strenger Stimme und genoss den Anblick, den er mir bot. Er begann zu zittern, und das Blut wich ihm aus dem Gesicht. Er litt, und das war ihm anzusehen. Ich selbst genoss derweil die Macht, die ich über ihn besaß.
»Du weißt es doch«, gestand er mir schließlich, nachdem wir uns fast eine ganze Minute lang angeschwiegen hatten. »Du bist erwachsen, du weißt es doch«, wiederholte er, und da standen ihm plötzlich die Tränen in den Augen. In diesem Augenblick hätte ich mich ohrfeigen können. Robbie war das Liebste, was mir geblieben war, mein Ein und Alles, und ich hatte Spaß daran, ihn so deprimiert vor mir stehen zu sehen. Sein bildhübsches Gesicht, seine Lebensfreude, seine ungezwungene Art und das stets ehrliche Verhältnis zu mir, seiner Mutter – alles setzte ich aufs Spiel. Ich muss in diesem Augenblick verrückt gewesen sein. Zum Glück habe ich meinen Fehler gleich eingesehen und schaffte es zurückzurudern. Er war doch mein eigen Fleisch und Blut; wie konnte ich