1 Alltagsgeschäft
Mit einem leichten Summen fuhren die automatischen Jalousien hoch und rasteten ein. Regentropfen liefen die Scheibe herunter, vereinten sich mit anderen und flossen wie durch Adern über das Glas. Vor der Villa wippten die jungen Kiefern des Waldes im Wind sachte in der Morgendämmerung hin und her.
Magnus rieb sich den Schlaf aus den Augenwinkeln und richtete sich im Bett auf. Seine Glieder fühlten sich steif an.Wo bin ich, dachte er.Odda, Norwegen, zu Hause, antwortete der Teil seines Verstandes, der weniger wehtat.
»Aufwachen, Schlafmütze!«, rief Medina aus dem Erdgeschoss.
Magnus erinnerte sich, dass er mit ihr Wein getrunken und sie mit nach Hause genommen hatte. »Verdammt«, murmelte er und wuchtete sich aus dem Bett. Ein Pochen in den Schläfen verriet ihm, dass er mit neununddreißig Jahren nicht mehr so trinken konnte wie während seiner Ausbildung zum Bankkaufmann.
Er stand auf, zog sich seine Boxershorts an und ging zum Badezimmer. Vor dem Spiegel stellte er sich der Bestandsaufnahme: Seine schwarzen Haare standen in alle Richtungen ab, das Lindgrün seiner Augen wirkte matt über den Ringen unter seinen Lidern. Sie waren fein und dezent und doch zeugten sie von einem Leben, das sich langsam in die andere Richtung neigte.
Wann zum Teufel hatte er den Scheitelpunkt überschritten?
Er fuhr sich mit der Hand über das stoppelige Kinn mit dem Grübchen. Die vereinzelten weißen Barthaare passten zu den grauen Haaren an seinen Schläfen. Beides störte ihn, störte seine Eitelkeit. Vielleicht war es an der Zeit, mit dem Haarfärben zu beginnen.
»Du hast es immer noch drauf«, sagte er zu sich selbst. »Du bist dynamisch, siehst gut aus und kannst junge Frauen klarmachen.« Während die Worte seine Lippen verließen, fehlte seinen Augen der Glanz des unerschütterlichen Selbstbewusstseins, das vor zehn Jahren noch ein anderes gewesen war. Er nahm sich den Trockenrasierer aus der Schublade unter dem Waschbecken und begann, sich fertig zu machen.
* * *
Medina stand in der Wohnküche und drückte eine Taste auf der Kaffeemaschine. Mit einem Brummen startete der Apparat, mahlte die Bohnen und schäumte dann die Milch für den Caffè Latte auf.
Während Magnus sich im Stehen abmühte, seine Krawatte zu binden, genoss er Medinas Anblick.
Sie war zweiundzwanzig und eine wahre Schönheit. Ihr langes, glattes, braunes Haar fiel ihr über die Schultern. Es strahlte im Licht der Deckenleuchten. Um ihre schmale Hüfte trug sie einen senfgelben Gürtel, der einen Kontrast zu ihrem blauen Hosenanzug bildete. Sie nahm sich ihre Ohrringe von der Küchenanrichte und steckte sie an.
Auf der Kochinsel mit den Barhockern standen Knäckebrot, brauner Käse und Erdbeermarmelade bereit.