Prolog: Der Weg in die Berge: Saint Louis, 1797
Jedediah Jones zählte noch keine zwanzig Lenze, als er den Mann traf, der ihm Freiheit und Entbehrungen brachte. Das, was er einst sein Leben nennen würde.
Das Land außerhalb der Städte dehnte sich zu jener Zeit schier endlos und einsam bis zum Horizont, und dahinter erneut bis zum Horizont, immer weiter, und niemand wusste, wo es aufhören würde. Der ferne Westen war nur eine Legende. Es hieß, irgendwo jenseits der Berge gebe es ein fruchtbares Paradies, in dem an dreihundertfünfzig Tagen im Jahr die Sonne vom Himmel brannte. Trotzdem gediehen dort saftige Früchte, so groß, dass ein halbes Dutzend von ihnen einen Korb füllte, und es gab Wild im Überfluss, fett und träge und so leicht zu erlegen, dass man sich viele Kugeln sparte, weil man seine Beute mit bloßen Händen vom Boden pflücken konnte.
Aber niemand wusste, wie man über die Berge kam, und die wenigen Männer, die es versucht hatten, waren nicht zurückgekehrt. Erst im letzten Jahr war eine kleine Gruppe aus St. Louis nach Westen aufgebrochen: Entdecker, Jäger, Abenteurer. Man hatte nie wieder etwas von ihnen gehört.
„Natürlich nicht“, lärmte einer der Geschichtenerzähler im überfüllten Schankraum des Saloons, in dem der Waisenjunge Jedediah als Tellerwäscher, Spucknapfreiniger und Laufbursche arbeitete. „Natürlich nicht. Würdet ihr das Paradies verlassen, wenn ihr es gefunden habt?“
Das war ein gutes Argument. Die Männer, die sich bei Bier und Whisky im verräucherten Saloon die Köpfe heißredeten und über Möglichkeiten nachsannen, ihr Los als Verladearbeiter an den Flussdocks von St. Louis zu verbessern, nickten beifällig. Das westliche Paradies existierte, und eines Tages würden sie selbst dorthin gehen.
Nur einer widersprach. Ein stämmiger Ire mit roten Haaren und einem Bart von der Wildheit eines Präriebrandes.
„Sie sind alle tot.“
Die Stimme des Rothaarigen klang beiläufig, aber er sprach mit der Bestimmtheit eines Mannes, der wusste, wovon er redete. Er setzte sein Glas geräuschvoll ab und widmete sich seiner Pfeife.
„Tot, sagst du? Woher willst du das wissen?“
Die Männer vom Fluss mochten es nicht, wenn man ihnen die Träume zerredete.
„Ich habe ihre Skalpe gesehen, am Bighorn River, in einem Lager der Blackfeet.“
„Der Bighorn River?“
„Ein Fluss, der sich unter einem hohen Berg windet. Er liegt nicht mal auf der Hälfte des Weges in euer Land, wo immer die Sonne brennt.“
Der Ire trug Hosen aus speckigem Hirschleder, derbe Stiefel und einen Mantel aus grob gewebtem Stoff. Vor ihm auf dem Tisch lag eine Pelzkappe.
„Wer ist er?“, fragte Jedediah den Saloonkeeper.
„Ach, der“, erwiderte der schwitzende Wirt. „Sieh lieber zu, dass du die Gläser spülst.“
„Wie heißt er?“
„Man nennt ihn Old Reddy. Er ist Fallensteller. Kommt und geht wie er will. Und nun geh an die Arbeit.“
Old Reddy war schon damals alt. Keiner wusste genau wie alt, aber es war alt genug, da