KAPITEL 2
Wenn das Licht ausgeht im Roxy
Das Pfarrbüro lag gleich neben der Haustür. Klaas Heiland mochte das vollgestopfte Zimmer. Die Regale voller Ordner, die lückenlose Sammlung sämtlicher je in Sonntal publizierter Pfarrbriefe und die Ansichtskarten aus vergangenen Jahrzehnten verliehen dem kleinen Raum eine ganz eigene Atmosphäre. Er war stolz darauf, diese Tradition fortsetzen zu dürfen.
Nur auf seine Sonntagspredigt war er nicht stolz. Seit Stunden brütete der Pastor nun schon über den dringend zu füllenden Seiten, und jeden Satz, den er sich aus den Fingern saugte, strich er kurz darauf wieder durch. Was war denn heute los mit ihm?
»Vermutlich liegt’s an dir«, murmelte er und sah missmutig auf den Salatteller, den Fräulein Dimpel ihm auf seinen Schreibtisch gestellt hatte. »Du trauriger Ersatz eines Mittagessens …«
Wollte die Haushälterin ihn für irgendetwas bestrafen? Heiland hatte beileibe nichts gegen Salat, aber die grünen Blätter waren selbstverständlich keine Hauptspeise, sondern eine Beilage. Dem Teller hier vor ihm fehlte das dazugehörige Rahmschnitzel, die würzige Frikadelle oder der kleine Berg an Nudeln mit köstlicher Soße. Beim Gedanken an diese Leckereien knurrte ihm gehörig der Magen. Doch er spürte, dass er Dimpel besser nicht nach einer Änderung im Speiseplan bitten durfte. Seit ihrer Rückkehr vom Dorfplatz war sie erstaunlich schmallippig und ging ihm nahezu aus dem Weg.
»Aber ein hungriger Bauch predigt nicht gern«, murrte Heiland, griff erneut nach seinem Stift und ergab sich den zu beschreibenden Blättern.
Es war das Wochenende vor Peter und Paul. Heiland plante, die beiden Säulen der katholischen Kirche in seiner sonntäglichen Ansprache von der Kanzel gebührend zu würdigen. Auch St. Hilarius, so wollte er es den Sonntalern ins Gedächtnis rufen, fußte ja schließlich auf dem Fundament derer, die sich in der Gemeinde engagierten und einbrachten. Heiland hoffte, mit derartigen Worten mehr Brüder und Schwestern zu einem Ehrenamt zu bewegen – oder doch wenigstens dazu, sich auch außerhalb der Gottesdienste für kirchliche Belange einzusetzen.
Doch noch immer fielen ihm die passenden Formulierungen einfach nicht ein. Er hatte gerade wieder zwei misslungene Sätze gestrichen, da klingelte das Telefon neben dem unangetasteten Salat.
»Pfarrbüro St. Kilian, Niendorf?«, meldete Heiland sich. Es war ein Reflex, antrainiert in langen Jahren an seiner alten Wirkungsstätte, und er schämte sich sofort dafür. »Verflixt, nein. Ich meine natürlich Sonntal am See! St. Hilarius!«
Die Frau am anderen Ende der Leitung lachte. Ihre Stimme war hell und freundlich. »Ich sehe schon, ich habe die richtige Person am Apparat. Guten Morgen, Pfarrer Heiland, hier spricht Ihr neues Bistum.«
Der Willkommensanruf! Heiland begriff und lehnte sich im Sitz zurück. Seine Ankunft in Sonntal lag wenige Wochen zurück und war recht überhastet geschehen. Der Mordfall, den der bayerische Touristenort ihm zur Begrüßung präsentierte, hatte ebenfalls dazu beigetragen, die üblichen Routinen eines pastoralen Amtsantrittes durcheinanderzuwirbeln. Kein Wunder, dass sich erst nach und nach Normalität einstellte. Zu dieser Normalität gehörten auch kurze Kontrollanrufe des Bistums, das sichergehen wollte, dass sich der frisch verpflanzte G