Gutgelaunte Studenten strömten an ihr vorbei, lautes Lachen und ungezwungenes Plaudern tönten von überallher. Mit weit geöffneten Türen empfing die Universität ihre Gäste und Absolventen. Emma legte den Kopf in den Nacken und blickte hoch zu den Statuen der Gelehrten, die das Dach der Kaiser-Wilhelms-Universität zierten. Sie hatte es geschafft! Sie hatte es tatsächlich geschafft, allen Unkenrufen zum Trotz. Dennoch erfüllte der Gedanke sie mit Schwermut, die vertraute Schwelle zu überschreiten. Während ihre Kommilitonen einander feierlich gratulierten, nahm niemand Notiz von ihr. Als wäre sie unsichtbar.
Töricht, sich darüber Gedanken zu machen. Sie hatte so viel erreicht! Dennoch stand sie abseits da und fühlte sich schrecklich unwohl in der allgemeinen Heiterkeit.
»Beabsichtigt das gnädige Fräulein, Wurzeln zu schlagen?«, erklang eine neckische Stimme hinter ihr. »Wenn ja, so sei ihm gesagt, dass dies eine denkbar schlechte Stelle für ein solches Vorhaben ist.«
Emma fuhr herum. »Henri!« Erleichtert darüber, ein vertrautes Gesicht zu sehen, fiel sie ihm um den Hals.
»Sachte, sachte! Du erwürgst mich ja fast.« Er drückte sie brüderlich an sich.
»So schlecht ist es um unser Militär bestellt? Dass tapfere Offiziere Angst haben, von einem Frauenzimmer außer Gefecht gesetzt zu werden?«
»Die Erfahrung hat mich früh gelehrt, dass in deiner Nähe durchaus Gefahr für Leib und Seele besteht.«
Sie lachte so laut auf, dass sich ein paar Umherstehende nach ihr umdrehten. »Der gnädige Herr übertreibt ja maßlos!«
»Ach so?«, zog er sie auf. »Wie weit sind die nächsten Gewässer entfernt? Ich möchte heute ungern baden gehen. Und im Schlucken von Verlobungsringen konnte ich auch noch nicht ausreichend Übung erlangen. Meine Sorgen sind durchaus berechtigt, nicht wahr?«
»Was ist der gnädige Herr aber nachtragend. Dass dies zu seinen größten Qualifikationen gehört, hätte ich niemals vermutet!« Ein bisschen rot war sie dennoch geworden.
Er zwinkerte ihr zu. »In den Genuss meiner wahren Qualifikationen dürfen nur ganz erlesene Personen kommen. Das gnädige Fräulein gehört leider nicht zu ihnen.«
Sie lachte noch lauter und erntete hier und da ein Kopfschütteln. Unmöglich, dass eine Frau sich in der Öffentlichkeit so gehen ließ! Aber an Henris Seite fiel es ihr leicht, den gesellschaftlichen Konventionen zu trotzen. Seine imposante Erscheinung war wie ein Schutzschild vor allen Blicken und Lästereien. Die Offiziersuniform umspannte seine breiten Schultern. Die roten Ärmelaufschläge setzten zusammen mit den goldenen Knöpfen feine Akzente zum dunkelblauen Waffenrock, während die Schirmmütze und die schneeweißen Handschuhe seine feierliche Aufmachung vervollständigten. Kaum eine Dame, die an der Seite ihres Begleiters zum Eingang der Universität defilierte, konnte es sich verkneifen, ihm einen sehnsüchtigen Blick zuzuwerfen. Nur interessierten ihn diese Blicke noch weniger als die Kieselsteine unter seinen Schuhsohlen. Sein Herz war seit Jahren vergeben – an einen jungen Mann namens Pierre Lefèvre. Der vermutlich zu den erlesenen Personen gehörte, die in den Genuss