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»Der Junge hat das Neugeborene in seinen Schilden eingeschlossen.«
»Ist das Baby in Gefahr?«
»Schwer zu sagen.«
Ena Mercant zu Magdalene Mercant (Februar 2054)
Canto hatte keine Möglichkeit zu überprüfen, ob Payal Rao seine Nachricht gelesen oder auch nur erhalten hatte. Der Tracker, mit dem er die E-Mail verwanzt hatte, um verfolgen zu können, wann sie geöffnet wurde, war während des Versendens neutralisiert worden. Sowieso war es ein Schuss ins Blaue gewesen. Payal hatte es nicht zuletzt wegen ihres messerscharfen Verstands bis an die Spitze des größten Energiekonzerns in Südostasien und Indien geschafft.
Zwei der anderen Hauptanker, zu denen er Kontakt aufgenommen hatte, hatten ihm bereits geantwortet, leicht skeptisch zwar, jedoch durchaus interessiert. Aber wenn sein Plan aufgehen sollte, mussten sie Payal ins Boot holen. Canto und die anderen A-Medialen auf seiner Liste stachen durch ihre hohe Funktionalität in der realen Welt aus ihrer Kategorie hervor. Trotzdem war es Payal, die sogar den skrupellosesten Akteuren im Netz unweigerlich Respekt abnötigte.
Wieder betrachtete er ihr Foto auf dem Bildschirm, dabei hatte er sich schon vor Jahren, als er das erste Mal ihren Hintergrund durchleuchtete, ermahnt, sich nicht in diese Sache hineinzusteigern. Payal war eine Kardinalmediale indischer Herkunft. Mehr Gemeinsamkeiten gab es nicht zwischen ihr und 3K. Das kleine Mädchen war ein Ausbund an Emotionalität und Leidenschaft gewesen, das genaue Gegenteil von introvertiert und rational.
Sicher, Kinder veränderten sich, während sie heranwuchsen. Aber wäre 3K identisch mit Payal Rao, hätte sich bei ihr ein kompletter Wandel ihrer Persönlichkeit, ihres Temperaments vollziehen müssen. Nein, sie war nicht die Person, nach der Canto suchte. Obwohl 3K höchstwahrscheinlich schon lange tot war, konnte er nicht aufhören, ihr nachzuspüren. Sie hatte ihm das Leben gerettet. Wie hätte er sie da einfach verloren geben können!
Wer immer 3K gewesen sein mochte, ihre Familie hatte jede Spur von ihr mit solcher Erbarmungslosigkeit gelöscht, dass nicht einmal das mächtige Netzwerk der Mercants einen Hinweis auf sie finden konnte. Womöglich hätte Canto inzwischen an seiner Erinnerung gezweifelt und 3K als reine Wahnvorstellung abgetan … wäre da nicht die Narbe auf seinem linken Schienbein gewesen, ein Andenken an die barbarische »Lehranstalt«, wo er fünf höllische Monate zubringen musste. Sie hatten schließlich den Lauf seines Lebens grundlegend geändert.
Payal Rao hingegen hatte eine private Mädchenschule in Delhi besucht. Weil er nun einmal von ihr besessen war, hatte er sich die internen Berichte besorgt und sogar sämtliche Klassenfotos aufgestöbert.
Er erkannte sie darauf, fand ihren Namen auf den Anwesenheitslisten. Die Bilder aus den Anfangsjahren waren leicht verschwommen und von geringer Auflösung. Das hatte ihn misstrauisch gemacht – bis er sich weitere von der Schule zu dieser Zeit hochgeladene Fotos angesehen und festgestellt hatte, dass sie alle dieselbe schlechte Qualität aufwiesen. Den Unterlagen zufolge hatte Payal an diversen Wahlkursen und Sportveranstaltungen teilgenommen.
Laut Cantos Großmutter hatte der ehemalige Rat P