: Gerhard Pott, Annegret Hölscher
: Alltagsethik Mit einem Diskurs zur Corona-Pandemie
: Lehmanns Media GmbH
: 9783965432192
: 1
: CHF 11.70
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: Allgemeines
: German
: 146
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Alltagsethik ist ein so umfassender Begriff, dass er nach einer Auswahl und Eingrenzung verlangt. Zweifelsohne gehören Bereiche wie Familie, Partnerbeziehungen, Umwelt, zwischenmenschliche Konflikte, Sicherheitsfragen, Umgang mit Migranten, Behinderten, Alten, Kindern etc. zu den Bereichen einer Alltagsethik. In der Corona-Pandemie kommt dem Begriff jedoch noch eine spezielle Bedeutungserweiterung zu: die mitmenschliche Sorge beginnt mit dem Tragen einer Maske und endet auch noch lange nicht in der Reihenfolge der zu Impfenden...

Prof. Dr. med. Gerhard Pott, MA (phil), eh. ltd. Arzt Euregio-Klinik Nordhorn, Lehrbücher zur Gastroenterologie, Palliativmedizin und angewandter Ethik. Vorlesungen und Seminare UK Münster, Ethikseminar Kloster Frenswegen, Informationen zur Patientenverfügung. Ehrenplakette der Ärztekammer Niedersachsen 2009.

2  Definition und Theorien zu Moral, Ethik und Moralpsychologie


MitMoral bezeichnet man das gute Verhalten der Menschen zueinander und zu ihrer Umwelt. Gut ist ein Wort, das so verschieden gemeint ist, dass man es für die Definition des Begriffes Moral erklären muss. Gemeint ist, dass das Wohlergehen der Mitmenschen so gefördert wird, wie man auch selbst behandelt werden möchte. Darin drückt sich ein Verhältnis, ein Vertrag, aus. Damit sind wir schon bei einer ersten Theorie, demKontraktualismus (Kontrakt = Vertrag ). Den kennen Sie alle, wenn auch nicht mit seinem Namen, sondern in einer Anwendung:Behandle andere so, wie auch Du behandeltwerden willst oder in der negativen, bekannteren Formulierung:Was Du nicht willst das man Dir tu, das füg auch keinem anderenzu. Im Vaterunser, dem Basisgebet der christlichen Religionen, heißt es:Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unserenSchuldigern.

Theorien zur Moral, das heißt die Lehre über die Moral, werden alsEthik bezeichnet. Jetzt geht es schon durcheinander, denn viele Menschen zu vielen Zeiten, z. B. Schriftgelehrte und Philosophen des alten Griechenland, haben die Begriffe Moral und Ethik identisch verwandt. Will man einen Unterschied machen, so ist Ethik die Lehre der Moral, die Sammlung verschieden begründeter moralischer Verhaltensweisen, durchaus mit unterschiedlichen Ergebnissen. Zwei generelle Probleme der wissenschaftlichen Ethik, wir nennen das auch philosophische Ethik, begegnen uns hier: Dass man verschiedene Worte und Begriffe für einen oder fast identischen Sachverhalt benutzt, ist schmerzlich, aber offensichtlich hat unser Denken bisher nicht mehr erreicht. Und will man damit leben, muss man von Zeit zu Zeit an den Kalauer denken, dass zwei Philosophen oder Philosophinnen eher eine gemeinsame Zahnbürste als ein gemeinsames Vokabular benutzen.

Das zweite Problem ist, dass es keine universale Begründung für das gute Verhalten gibt und die bisher erdachten Ethiktheorien sich zum Teil so widersprechen, dass unser Gutsein nicht allein dadurch entstanden sein kann. Aber wodurch dann, werden Sie als Leser fragen, meistens funktioniert unser Alltag doch so einigermaßen gut. Ziel dieses Buches ist, zu zeigen, dass unsere Alltagsethik auf unserem Gefühl, genauer gesagt auf unserer Empathie beruht und weniger theoriegeleitet ist. Dass beides notwendig ist, alsoHerz und Verstand, haben schon im Mittelalter die englischen Empiristen in der Philosophie gezeigt, allen voran David Hume. Wir haben das schon früher – mehr oder weniger intuitiv –intuitive Ethik genannt. Brauchen wir dann überhaupt weitere Ethiktheorien? Ja, denn zum einen ist unser Gefühl manchmal trügerisch und kann zu falschen Entscheidungen führen. Zum anderen liefern Theorien zu einzelnen ethischen Problemen eine Basis für Entscheidungen, um z. B. einDilemma zu lösen. Ein