Ich bin im Begriff zu erfahren, dass es eine Kunst ist, einen eigenen Gedanken in Worte zu fassen – nicht zu vergleichen mit dem bloßen Niederschreiben von Gedanken anderer! Bisher habe ich aus Büchern abgeschrieben. Um in Form zu bleiben. Das eigene Wort zwingt den Gedanken in eine enge Abhängigkeit – auch das erfuhr ich erst, als ich nach Worten suchte, um sie aufzuschreiben. Du musst also verzeihen, wenn meine Erzählung noch nicht den stabilen Ton gefunden hat, den du erwarten darfst.
Du wirst keinen beleseneren Kater, keine belesenere Katze, keinen beleseneren Affen finden als mich. Wenigstens zwei meiner sieben Leben habe ich in Bibliotheken zugebracht. Es wird dir nicht entgangen sein, dass ich in den vorherigen Abschnitten Zitate eingewoben habe, das heißt, sie haben sich ganz von selbst in meine Gedanken eingefügt – sind ganz von selbst »in meine Feder geflossen«. Es waren Halbzeilen aus Thomas Carlyles großer Darstellung der Französischen Revolution dabei, auch Wendungen anderer Autoren zum selben Thema wie Jules Michelet oder Albert Soboul, ein umstrittenes und ein gesichertes Zitat von Danton, ein verstümmeltes von Immanuel Kant, ein Bonmot von Paul-Henri Thiry d’Holbach, Trauriges von Robert Burton, dem ersten Erforscher der Traurigkeit, Krümelchen von Shakespeare, Blaise Pascal und Augustinus, ein Schäufelchen Seneca, zu Anfang gleich ein breiter Batzen Jean-Jacques Rousseau, einiges schon lange Gemerktes und Gemischtes, alles durchaus kunterbunt – das Gedankenzelt, in dem ich wohne, ist zusammengesetzt aus vielen Flicken, und bisweilen dünkt mich, es ist nicht ein Zelt, sondern die Haut unter meinem Fell.
Bald nachdem ich begonnen hatte zu lesen und im technischen Umgang mit einem Buch einigermaßen geübt war, verschlang ich ganze Regale voll – wenn mir diese Metapher erlaubt ist … wobei ich ohne Absicht eine der ersten und höchsten Hürden beim Namen nenne, die einem wie mir in den Weg gestellt werden, wenn er sich über eure Sprache die Welt aneignen möchte: die Metapher. Ich habe immer wieder versucht, mich mit Meinesgleichen über diese Merkwürdigkeit auszutauschen – der einen oder anderen Katze bin ich begegnet, die sich für euch mehr interessiert hat als die meisten von euch für uns. Man hielt Euresgleichen für verrückt, ich sage es heraus. Wie kann jemand etwas sagen wollen, indem er von etwas anderem spricht? Ich formulierte vorhin, ich sei bei »einer Hürde« angelangt – wo ist sie denn, die Hürde, wie sieht sie aus, wie riecht sie, wie fühlt sie sich an, wenn man den Buckel an ihr reibt? Ah, es ist gar keine wirkliche Hürde? So was! Aber sie wird mir »in den Weg gestellt« – wer stellt sie mir denn in den Weg, wie riecht er, ist er ein Katzenfreund oder nicht, und überhaupt: Wo bitte soll ein Weg sein, wenn ich in meinem Büro hocke und ein Buch lese oder an meinen Lebensgeschichten schreibe? Ah, da ist gar niemand, der etwas stellt, und einen Weg gibt es auch nicht? So was! Ich habe »Regale voll Büchern verschlungen«? Wohl bekomm’s! Katzen sagen: »Ich habe Fleisch gefressen«, dann haben sie Fleisch gefressen, oder sie sagen, »mein Herr hat sich mir in den Weg gestellt«, dann hat sich der Herr in den Weg gestellt und so weiter – das Fleisch ist Fleisch, der Herr ist der Herr, und der Weg ist der Weg. Was ist, ist das, was es ist, und ist so, wie es ist, und basta. Die Dinge sind ergreifend, tragisch, schön, lustig, beständig, wirr, bequem, lästig, langweilig, unnahbar, tröstlich, prächtig, angsteinflößend – und sie sind, was sie sind, und ein Ding steht nicht für ein anderes, sondern nur für sich selbst. Ihr sprecht vom Herzen, meint jedoch nicht den pumpenden Klumpen in eurer Brust, sondern ein Gefühl; wisst allerdings nicht, was genau ein Gefühl ist, und flüchtet euch wieder in Umschreibungen und sucht nach Worten, blumigen oder grässlichen, rührenden oder abstoßenden, lobenden oder erniedrigenden, die ihr ebenso wenig definieren könnt; behauptet aber, dass nur Euresgleichen befähigt seien, Gefühle, jedenfalls jene, die ihr die tiefen, edlen, wahren nennt, zu empfinden, während Meinesgleichen tatsächlich nur einen pumpenden Klumpen in der Brust tragen, der sich zur Metapher nicht