Erkenntnisse und Verständnis der Zwangserkrankung
Heute weiß ich: Ich bin krank. Und ich weiß auch: Der Zwang verspricht, was er nicht halten kann. Er ist kein Freund, sondern ein Feind, stachelt beständig neue Ängste an, nährt sich selbst. Die Zwangserkrankung baut eine hohe Eigendynamik auf. Treibt ihr Unwesen, so lange, bis die Krankheit als solche erkannt wird, bis Betroffene die richtige Behandlung erhalten.
Ich hatte mich bereits vor Jahren den unterschiedlichsten Behandlungen unterzogen, vor allem mit schmerz- und psychotherapeutischem Charakter. Doch auch in der Psychotherapie lag der Fokus lange fast ausschließlich auf meiner Kopfschmerzsymptomatik. Dieser Fokus war sicherlich nicht falsch, denn der Kopfschmerz war ursächlich und ist noch heute der wesentliche Trigger für die in mir liegende Anspannung, für meine mittlerweile generalisierte Angst und damit für die Zwangserkrankung. Doch dieser Fokus allein half mir nicht.
Lange Zeit wusste ich gar nicht, dass ich – neben den chronischen Kopfschmerzen – an einer Zwangsstörung erkrankt war. Obwohl ich, und meine Eltern mit mir, viele Ärzte konsultierte, wurde mein vollumfängliches Krankheitsbild schlichtweg zu lange nicht festgestellt. Irgendwann fiel das Wort Zwangserkrankung im Zusammenhang mit meinem Unwohlbefinden dann doch. Endlich wurde diese Diagnose gestellt. Endlich, nach ungefähr 15 Jahren. Jahre über Jahre hatten die Zwänge Zeit gehabt, sich behutsam einzuschleichen, sich auszubreiten, bis sie mich beinahe erdrückten, nahezu erstickten. Es liegt mir fern, hier Schuldzuschreibungen vorzunehmen. Ganz im Gegenteil, stets war, noch heute bin ich zutiefst davon überzeugt, dass jeder Arzt, jeder Therapeut mich nach bestem Wissen und Gewissen behandelte. Und trotzdem, trotz der seit Kindheit bestehenden Kopfschmerzen, der ausgeprägten Sensibilität, der früh aufgetretenen Schlafstörungen, des Leistungsdrangs, Perfektionsstrebens und eines überaus ausgeprägten Ehrgeizes, wurden mir so lange nicht die richtigen Fragen gestellt. Die Fragen, anhand deren Beantwortung die Zwangserkrankung wohl weit früher festzustellen gewesen wäre.
Irgendwann fing ich an, in Gesprächen mit Experten über meine seltsamen Ängste zu sprechen. Vorsichtig, zögerlich artikulierte ich die in angstbesetzten Situationen auftretenden Gedanken, die ich mit Beispielen ausführte, um sie meinem Gegenüber begreiflich zu machen. Ich erklärte, was mein Kopf sich zusammenreimte, wie er geistreich für so viele Handgriffe Anweisungen gab, deren Einhaltung oder Nichteinhaltung eine wünschenswerte oder eben verabscheute Konsequenz nach sich zog. Erwähnte auch, betonte wiederholt, ich wäre mir bewusst, wie unrealistisch, gar befremdlich solche Bedingungsgedanken waren, und wie ich dennoch stets gezwungen war, eine jede Bedingung zu erfüllen.
Mich zu offenbaren war mir peinlich, ich schämte mich stark. Indes, ich hatte keine Wahl, ich musste beginnen zu sprechen, musste mein Leid, meine Gedankenwelt wenigstens auszugsweise jemandem anvertrauen. Ich spürte wohl deutlich, dass etwas nicht stimmte, und war dennoch nicht fähig, mich mit meiner Ratio in Eigenregie diesen komischen Anforderungen zu widersetzen.
Da tauchte er auf, der Begriff des Zwangs, doch selbst dann erhielt ich aus heutiger Sicht noch immer nicht die auf die Zwangserkrankung ausgerichtete, wirksame, für mich hilfreiche Behandlung.
Heute sind mir die tragenden Säulen in der Behandlung der Zwangserkrankung bekannt. Die Behandlung, die ich seit einigen Monaten bekomme, ist die angemessene, die einzig wirksame. Seither habe ich tatsächlich das Gefühl, mir wird geholfen, mein Zwangssystem zu verlassen. Schritt für Schritt bewege ich mich aus meinem inneren Käfig heraus. In intensiver Begleitung, psychotherapeutisch und psychiatrisch-medikamentös unterstützt, ganz langsam, und mi