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«Junhi! Junhi, wo bist du?»
Die Männerstimme sickerte ihr in die Ohren. Die rennenden Pferde lösten sich vor ihren Augen auf und machten einer leeren Ebene Platz. Erst jetzt bemerkte Junhi wieder, wie kalt der Wind war; ihre Nasenspitze spürte sie längst nicht mehr. Der Duft von gefrorener Luft füllte ihre Nasenlöcher, und Eiskristalle hatten sich in ihre Augenwinkel eingenistet. Sie stachen, während sie sie wegzwinkerte.
Sie war hier schon viel zu lange. Hinter ihr schien eine bleiche Sonne. Sie stand tief an dem hellblauen Himmel, die Felsen entlang der Flusskurve in der Ferne blockierten das Licht. Wind und Schatten arbeiteten zusammen, um sie in Eis zu verwandeln.
Junhi fröstelte. Warum hatte sie sich nicht mit dem Rücken gegen die Felswand gesetzt? Da wäre sie schön windgeschützt gewesen.
Aber hier träume ich besser, dachte sie, ich brauche die Kälte, um zu träumen. Der Wind muss mir in den Ohren sausen. Es muss wehtun.
Sie hatte möglichst viele Rentierhäute mitgerafft, als sie heute früh aus der Wohnhöhle gehuscht war, und sie alle um sich geschlagen, um Schultern und Beine, über den Kopf. Es war nicht genug. Ununterbrochene Schauder durchzuckten ihren Körper und sorgten für verkrampfte Muskeln. Aber sie musste aufstehen. Jemand näherte sich.
Sie ließ die Häute von sich abgleiten und drückte sich hoch. Sofort knickten ihr die Beine weg. Sie kribbelten schmerzhaft, und sie konnte gerade noch verhindern, dass sie mit dem Gesicht auf dem Boden landete. Der Mann in der Ferne beeilte sich zu ihr. Es war Dahs. Natürlich er, wer sonst?
«Was tust du hier?», fragte der Jäger mürrisch. Er zog sie hoch, als hätte sie kein Gewicht.
«Wie oft hat Uma dir schon gesagt, du sollst dich nicht so weit entfernen? Selbst die Hunde wissen, dass es gefährlich ist, im Winter allein draußen zu sein. Wenn die Kälte dich nicht zu fassen kriegt, dann tun es die Hyänen. Sie haben Hunger. Ich höre sie jeden Abend heulen, und sie kommen immer näher.»
«Ich habe meinen Speer dabei, Dahs», antwortete Junhi. «Ich angle gerade. Ich wollte gerade ein Loch ins Eis schlagen.»
Dahs starrte sie an.
«Angeln, womit? Ich sehe weder Haken noch Seil. Lüg mir nichts vor. Du hast wieder geträumt, ich sehe es dir an. Wie oft muss Uma dir noch sagen, dass