: Anna Maas
: Die Happiness-Lüge Wenn positives Denken toxisch wird
: Eden Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
: 9783959103237
: 1
: CHF 12.20
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: Angewandte Psychologie
: German
: 240
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
»Good vibes only! Mach das Beste draus! Sieh's doch mal positiv!« Auf Instagram und Co. wird Optimismus bis zum Umfallen gepredigt. Aber lassen sich negative Gefühle wirklich einfach wegmeditieren? Können wir uns allen Ärger und Frust beim Yoga von der Seele atmen? Und ist tatsächlich etwas dran an dem viel zitierten »Law of Attraction«, das unser Schicksal ganz allein in unsere Hände legt, frei nach dem Motto »Wer positiv denkt, dem widerfährt Gutes«? Anna Maas ist sich sicher: Nein! Denn durch die allgegenwärtige Glückssuche entsteht Druck: Jede*r muss immer positiv denken, für negative Emotionen ist kein Platz. Wer es nicht »schafft«, optimistisch zu bleiben, hat versagt. Dieses Phänomen hat einen Namen: »Toxic Positivity«. In ihrem Buch untersucht die Journalistin, was wirklich dran ist an dem Zwang zum Glücklichsein. Anhand ihrer eigenen Erfahrungen und der Meinungen zahlreicher Expert*innen erklärt sie, warum eine positive Lebenseinstellung um jeden Preis oft nicht nur wenig hilfreich ist - sondern uns sogar schaden kann.

Anna Maas wurde 1988 in Remscheid geboren und wuchs in Oldenburg auf. Nach dem Abitur zog es sie nach Hamburg und München, wo sie Medien- und Kommunikationswissenschaften sowie TV-Journalismus studierte. Mittlerweile ist sie als Journalistin und Content-Allrounderin auf freiberuflicher Basis für verschiedene Medien und Unternehmen tätig. 2018 startete sie ihren Blog »THINK FEM«, auf dem sie über Gleichberechtigung, Mutterschaft und beeindruckende Frauen schreibt. Gemeinsam mit ihrer Familie lebt sie in der Nähe von Hamburg.

DIE WERBUNG SAGT: ALLES IST GUT! ICH SAGE: ECHT JETZT?


Seit einigen Jahren arbeite ich als Texterin für werbliche Formate. Ich schreibe Advertorials (das sind kurz gesagt redaktionell anmutende Werbeanzeigen), Artikel für Unternehmensblogs oder auch klassische Slogans. Egal aus welchem Themenbereich die Kund*innen kommen, Beauty, Food, Auto, Technik, Finanzen oder Familie, sie alle haben eines gemeinsam: Sie möchten positiv präsentiert werden. Die häufigste Kritik, die ich in meinen Jahren als Texterin geerntet habe, war: »Dieser Satz ist uns noch etwas zu negativ. Bitte positiver formulieren!«

Meinen Auftraggeber*innen geht es darum, dass jedes Wort, jeder Satz und jede Anekdote in meinen Texten bei den Endkund*innen für ein gutes Gefühl sorgen soll. Marken wollen, dass die Verbraucher*innen sich mit ihren Produkten oder Dienstleistungen wohlfühlen und dieses wohlige Gefühl mit der Marke assoziieren. Und selbst wenn das beworbene Produkt ein Problem löst, soll dieses Problem bestenfalls nicht klar benannt werden. Probleme sind böse. Marken stehen nicht für Probleme, sondern für Lösungen.

Ein Beispiel: Einmal habe ich einen Text für eine Antifaltencreme geschrieben. Die Zielgruppe: weiblich. Die Realität ist eigentlich jeder und jedem bekannt: Frauen werden älter, bekommen Falten, ärgern sich und kaufen deshalb ein Produkt, das ihnen bestenfalls dabei hilft, sich beim Blick in den Spiegel wieder jünger und wohler in ihrer Haut zu fühlen. Ob das funktioniert, ist ein anderes Thema. Die Frage, wieso das Altern so negativ konnotiert ist, ebenfalls. Doch die rein faktische Aussage, dass Frauen älter werden und Falten bekommen, sich womöglich auch noch darüber ärgern, ist in den Augen des Kunden … na ja, sagen wir’s mal so: unschön. Älter werden, Falten, sich ärgern? Das alles klingt nach einem unguten Gefühl. Keiner mag ungute Gefühle.

Bereits der (komplett faltenfreie!) Satz »Das mit dem Altern ist so eine Sache« wurde mir gestrichen. Das klinge so leidend. Und dieses Wort, »Altern«, das könne man doch bestimmt umgehen? Ähm, okay. Meine Herausforderung lautete also: Wie schaffe ich es, die Lösung für das Problem zu präsentieren, ohne dabei das Problem klar zu benennen? Letztendlich wand ich mich um die »schwierigen« Aussagen herum, indem ich davon erzählte, wie großartig es doch sei, mit den Jahren immer gelassener zu werden. Ich beschrieb das Gefühl, mit beiden Beinen fest auf dem Boden zu stehen und zu wissen, wer man ist. Man werde klüger, entspannter, wisse die Dinge besser einzuschätzen. Und die Antifaltencreme der Marke XY helfe dabei, genau dieses Selbstbewusstsein auch auszustrahlen. Zack, der Kunde war glücklich! Und ich fühlte mich zwar ein kleines bisschen schuldig, mal wieder daran mitgearbeitet zu haben, die Heile-Welt-Fassade in der Werbung aufrechtzuerhalten, doch gleichzeitig – das gebe ich zu – tanzte mein Texterherz. Ich hatte den Eisberg mit meinem sprachlichen Geschick gut umschifft.

Etwas Ähnliches ist mir kürzlich bei einem Werbespot im Fernsehen aufgefallen. Es geht in diesem Werbespot um Tiefkühlpizza. Ja, zugegeben, ich zähle mich zur Zielgruppe. Wir haben immer Tiefkühlpizza zu Hause. Wenn der Tag hektisch war, ich beim Blick ins Schlafzimmer vor lauter Wäschebergen das Bett nicht sehe, auf dem Laptop noch fünf Mails darauf warten, beantwortet zu werden, und der Kühlschrank sowieso fast leer ist, habe ich einfach keine Lust mehr auf Einkaufen, Kochen und das anschließende Aufräumen der Küche. An solchen Tagen rettet Tiefkühlpizza mir den Abend. Ich weiß, ernährungstechnisch gibt es bessere Fast-Food-Alternativen. Aber Vernunft und Hunger passen eben nicht immer zusammen …

Ich sitze also auf unserer Couch, die Pizza, die ich gerade aus dem Ofen geholt hab