: Peter Wohlleben
: Der lange Atem der Bäume Wie Bäume lernen, mit dem Klimawandel umzugehen - und warum der Wald uns retten wird, wenn wir es zulassen
: Ludwig
: 9783641207052
: 1
: CHF 12.70
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: Natur: Allgemeines, Nachschlagewerke
: German
: 256
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Bäume kommen sehr gut ohne Menschen aus, aber Menschen nicht ohne Bäume!

Auch wenn wir unsere Welt durch den Klimawandel zugrunde richten sollten - die Bäume kommen immer und überall zurück, selbst nach verheerenden Bränden, heftigen Sturmschäden und menschlichen Verwüstungen. Es wäre nur schön, wenn wir dann noch da sind.

MitDer lange Atem der Bäumeknüpft Peter Wohlleben direkt an seinen MillionensellerDas geheime Leben der Bäumean - ebenso zum Staunen, ebenso faszinierend, aber dabei gleichzeitig scharf und kritisch: Auf der einen Seite schildert er neue verblüffende Erkenntnisse über das Leben der Bäume und ihre Fähigkeiten, zu lernen und mit dem Klimawandel umzugehen. Zugleich geht er hart ins Gericht mit den von Ahnungslosigkeit geprägten Akteuren in Wirtschaft und Politik, die Bäume ausschließlich zur Holzgewinnung und zur Imagepflege pflanzen und die Natur damit in Wahrheit rücksichtslos ausbeuten. Doch intensiv bewirtschaftete Fichtenplantagen werden die Überhitzung des Planeten nicht verhindern.

Eine Liebeserklärung an die Bäume - und ein flammender Appell, die unendliche Vielfalt der Natur, deren sensibles Zusammenwirken wir immer noch nicht ganz verstehen, zu schützen und zu bewahren. In unserem ureigensten Interesse.

Peter Wohlleben,Jahrgang 1964, wollte schon als kleines Kind Naturschützer werden. Er studierte Forstwirtschaft und war über zwanzig Jahre lang Beamter der Landesforstverwaltung. Heute arbeitet er in der von ihm gegründeten Waldakademie in der Eifel und setzt sich weltweit für die Rückkehr der Urwälder ein. Er ist Gast in zahlreichen TV-Sendungen, hält Vorträge und Seminare und ist Autor von Büchern zu Themen rund um den Wald und den Naturschutz, die sich allein im deutschsprachigen Raum 2,5 Millionen Mal verkauft haben. Für seine emotionale und unkonventionelle Wissensvermittlung wurde Peter Wohlleben 2019 die Bayerische Naturschutzmedaille verliehen. Seine Bücher sind in über 45 Ländern erschienen.

Wenn Bäume irren

Bäume werden in trocken-heißen Sommern vor große Probleme gestellt. Sie können nicht in den Schatten flüchten, können keinen kühlen Schluck zu sich nehmen, und ein schnelles Reagieren funktioniert schon gar nicht. Und weil Bäume so langsam sind, ist es umso wichtiger, sich für die richtige Strategie zu entscheiden. Doch was ist die richtige Strategie, und was passiert, wenn sich ein Baum irrt?

In der Nordstraße in Wershofen, dem Standort unserer Waldakademie in der Eifel, säumt eine Reihe von Rosskastanien die linke Straßenseite. Diese Rosskastanien verhielten sich im Dürresommer 2020 so wie viele Bäume in Europa: Sie fingen im August an, ihr Laub vorzeitig herbstlich zu verfärben. Dabei haben es Rosskastanien seit Jahren ohnehin besonders schwer. Kurz vor dem Jahr 2000 hatte die sich nach Norden ausbreitende Kastanienminiermotte auch die Wershofener Bäume erreicht.

Dieser kleine, hellbraune Schmetterling stammt aus Griechenland und Mazedonien, also aus der ursprünglichen Heimat der Rosskastanie. Wie viele andere importierte Gewächse auch führten die Rosskastanien in Wershofen bisher ein idyllisches Leben. Zwar entsprechen Länder wie Deutschland nicht unbedingt dem perfekten Ökosystem für diese Bäume, weil es hier einfach ein bisschen zu kalt ist. Dennoch haben sich die Kastanien bei uns immer pudelwohl gefühlt. Ihre Parasiten hatten sich bisher nicht bis zu dem neuen Standort ausgebreitet, und für ein Leben ohne die Miniermotte darf es ruhig im Winter ein bisschen kühler sein.

Doch vor 40 Jahren begann sich die Situation zu ändern: Seitdem folgen die Fluginsekten ihrer Beute in den Norden und haben sich längst auch in Wershofen niedergelassen. Die Miniermotten machen, was ihr Name nahelegt: Ihre Raupen fressen Gänge (oder Minen) in die Blätter. Dazu legt die Motte Eier auf die Oberfläche, und die schlüpfenden Raupen bohren sich ein. Kleine braune Schlängellinien zeigen, wo die Schmetterlingskinder munter vor sich hin fressen. Munter deshalb, weil sie in den Blättern gut geschützt vor hungrigen Vögeln leben. Die ausgehöhlten Stellen vertrocknen, und mit fortschreitendem Fraß sieht das Laub im Laufe des Sommers immer ramponierter aus, zumal der ersten Eiablage oft noch eine zweite folgt.

Die Blätter der Bäume an der Nordstraße waren also schon vorgeschädigt, als die Dürre im Gefolge von etlichen heißen Tagen zuschlug. Kastanien reagieren in solchen Situationen wie alle anderen Bäume auch: Sie stellen erst einmal die Fotosynthese ein und warten ab. Wie lange so eine Trockenperiode dauert, wissen Bäume noch weniger als wir, und deshalb ist es sinnvoll, nicht gleich in Panik zu verfallen.

Zunächst schließen sie ihre Abertausenden winzigen Münder, die Spaltöffnungen, die an der Unterseite der Blätter sitzen. Mit ihnen atmen die Bäume, genau wie wir, und genau wie wir verlieren sie bei der Atmung Wasserdampf. Er kühlt die Umgebung, und dieser Effekt wird von den grünen Giganten durchaus aktiv eingesetzt, um heiße Sommertage erträglicher zu machen. Wenn die Wurzeln allerdings signalisieren, dass der Nachschub ausbleibt, werden die unzähligen Münder im Laub geschlossen. Doch ohne Atmung der Blätter funktioniert die Fotosynthese nicht mehr, versiegt natürlich auch der Nachschub anCO2, weshalb die Zuckerproduktion unter Zuhilfenahme des Sonnenlichts nicht mehr möglich ist. Nun zehren die Bäume von ihren Reserven, die sie eigentlich für den kommenden Winterschlaf aufbauen wollten.

Eine minimale Verdunstung findet aber trotzdem noch über Blätter, Wurzeln und Rinde statt, und wenn die Trockenheit weiter andauert, folgt die zweite Maßnahme: Ein Teil der Blätter wird abgeworfen. Dabei gehen die Kastanien wie ihre übrigen belaubten Kollegen von oben nach unten vor. Zuerst fallen die von der Wurzel am weitesten entfernten Blätter, also die in den Kronenspitzen. Wasser bis dort oben zu transportieren kostet besonders viel Energie, die der Baum jetzt sparsam einsetzen muss, da er keinen Nachschub mehr produzieren kann. Reicht das jedoch nicht und fällt noch immer kein Wasser vom Himmel, werden die Blätter schrittweise immer weiter abgestoßen, bis die Bäume schließlich schon im August völlig kahl sind.

So weit haben es bei uns im Jahr 2020 aber weder Buchen, Eichen noch die Kastanien kommen lassen – bis auf ein paar wenige Ausnahmen. Vielle