Dein Grund und Boden
Lass uns zu Beginn darauf blicken, wie wir einen soliden Grund und Boden für deine Brücke zwischen Theorie und Praxis erschaffen können: Er entsteht durch die Art und Weise, wie du den Herausforderungen deines Lebens begegnest. Und dabei unterstützt dich Achtsamkeit.
Achtsamkeit
Achtsamkeit ist mittlerweile in aller Munde und das zu Recht. Denn seit Jon Kabat-Zinn diese Praxis für die westliche Kultur zugänglich machte, erwies sie sich in ganz vielen unterschiedlichen Bereichen als sehr wirksam,1 sodass sie nach und nach Einzug hielt in die Psychologie und Psychotherapie, in die Wirtschaft und schließlich auch in den Mainstream. Und auch wenn – oder gerade weil – über Achtsamkeit so viel gesprochen wird, möchte ich dir an dieser Stelle eine kurze Definition vorstellen. Einfach, damit wir eine gemeinsame Idee davon haben:
Achtsamkeit ist eine bewusste Ausrichtung auf den gegenwärtigen Moment, auf das, was gerade tatsächlich ist. Dabei geht es vor allem darum, ein Gewahrsein für die eigenen inneren Regungen (Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen) zu gewinnen, ohne diese zu bewerten (gut/schlecht, angenehm/unangenehm) oder sich gar mit ihnen zu identifizieren (»Ichbin wütend« wird zu: »Ich fühle Wut«). Schließlich übt man sich darin, innere Regungen loszulassen und sich mit einem klaren Geist den Dingen zuzuwenden. So ist Achtsamkeit viel mehr eine innere Haltung als einfach nur eine Technik.
Der immense Einfluss meiner Gedanken und die Kraft der Achtsamkeit wurden mir das erste Mal so richtig bewusst, als ich mit meinem Mann nach dem Studium ein halbes Jahr in Indien verbrachte, wo wir ein zehntägiges Vipassana-Retreat »saßen« (wie man im Meditationsjargon sagt – denn tatsächlich sitzt man sehr viel und meditiert! … Eigentlich nonstop). Das Zentrum war im Norden des Landes, in einem kleinen Ort in den Ausläufern des Himalaja-Gebirges. Obwohl es erst Spätsommer war, war es vor allem in den frühen Morgenstunden recht kühl. So kam ich zur ersten Meditation um fünf Uhr morgens bereits fröstelnd auf meinem Kissen an. Während der Meditation bemerkte ich, wie eiskalt meine Füße waren. Und in mir ging es ab: »Hoffentlich kriege ich keine Erkältung … Das wäre eine Katastrophe! Dann kann ich das Retreat nicht bis zum Ende mitmachen. Wie soll ich denn mit verstopfter Nase meditieren? … Hoffentlich krieg ich kein Fieber … Die Trekkingtour nächste Woche müsste damit dann auch ausfallen … Scheiße, ist daskalt ... Mir ist viel zu kalt … Heizen die hier etwa gar nicht?!??« Und so weiter und so weiter. Meine Schultern, meine Stirn und mein Kiefer waren genauso verkrampft wie meine Gedanken.
Und dann, Guru sei Dank, kam da plötzlichein Gedanke unter all den vielen anderen an die Oberfläche. Ein Gedankenblitz, der die Worte Goenkas (so hieß der Guru) auf meinen Bewusstseinsradar schmetterte: »You just observe!« – »Das Einzige, was du zu tun hast, ist zu beobachten