Einleitung:
Früher war alles schlechter!
Wir leben in der besten aller möglichen Welten.
Gottfried Wilhelm Leibniz, politischer Berater der frühen Aufklärung
Wer in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts aufgewachsen ist wie ich, müsste heute als 40- oder 50-Jähriger längst tot sein. Nukleares Wettrüsten, Waldsterben, Tschernobyl,AIDS – die Prognosen für das 21. Jahrhundert ließen nur das Allerschlimmste zu. Es sei unverantwortlich, in diese Welt noch Kinder zu setzen, hörte diese Generation damals von Lehrern, Politikern und den eigenen Eltern. Die Geburtenrate sank danach tatsächlich, die große Katastrophe blieb jedoch aus. Umfragen und Studien kommen heute zu einem erstaunlichen Ergebnis: Die allermeisten Deutschen sehen ihr eigenes Leben als gut und bezeichnen sich selbst als glücklich, für die generelle und gemeinsame Zukunft sehen sie dagegen schwarz. Die Vision des technologischen Fortschritts steht heute nicht mehr für sozialen Aufstieg und eine bessere Welt. Stattdessen dominiert die Angst vor der Zukunft. Oder glauben Sie, dass Roboter und Maschinen unser Leben bereichern und zu besseren Jobs führen? Glauben Sie, dass die Umwelt nicht mehr stärker verschmutzt und die weltweite Armut abnimmt? Oder dass die Demokratie im Kampf gegen globale Krisen wie Pandemien bestehen wird? Dann wird Sie dieses Buch überraschen!
Der »Immerschlimmerismus« ist die größte Gefahr unserer Zeit
Warumwollen wir glauben, dass die Welt immer schlechter wird? Woher kommt dieses Denkmuster, das der Zukunftsforscher Matthias Horx als »Immerschlimmerismus« bezeichnet und wer profitiert davon? Für die große Mehrheit von uns ist die Zukunft schwer vorstell- und greifbar. Viele Herausforderungen, die wir als Bedrohungen wahrnehmen, sind räumlich und zeitlich weit weg: Klimawandel, Hunger, Kriege. Sie erscheinen uns so fern, dass es uns schwerfällt, uns überhaupt mit ihnen auseinanderzusetzen. Sozialpsychologen haben dafür den Begriff der »psychologischen Distanz« erfunden.
Zukunft ist also Kopfsache: unsere Bilder von der Zukunft entstehen im Gehirn und das reagiert in erster Linie auf Gefahren, auf Terror, Kriege und Katastrophen. Das menschliche Gehirn ist das Produkt von Millionen Jahren Evolution. Es besteht aus zwei Teilen, einem Vernunftgehirn (dem »präfrontalen Cortex«) und einem Angstgehirn (der sogenannten »Amygdala«): Wenn wir uns bedroht fühlen, gewinnt meist der Teil, in dem unsere Urangst sitzt: der primitivere Teil des Hirns, welcher mit Statistiken und Wahrscheinlichkeiten nichts anfangen kann und ungefähr auf der Stufe eines Huhns liegt. Auf rationale Argumente reagiert es nicht. Wer Flugangst hat, dem hilft das Wissen wenig, dass ein Flugzeug das sicherste Verkehrsmittel ist. Wenn bei einem Attentat zehn Deutsche pro Jahr sterben, hilft es nichts zu wissen, dass pro Jahr mehr als 9.000 Menschen durch Unfälle im eigenen Haushalt ums Leben kommen. Das Vernunftgehirn befindet sich mit dem Angstgehirn in einem ständigen Kampf.
Richtig ist aber auch: Ohne ihre Urangst wäre die Menschheit wohl längst ausgestorben. Es waren ihre Instinkte, die unseren Vorfahren halfen, in kleinen, überschaubaren Gruppen als Jäger und Sammler zu überleben. Ohne lange nachzudenken, konnten die damaligen Menschen zu schnellen Entschlüssen kommen. Das half ihnen, sich vor unmittelbaren Gefahren zu schützen. Heute leben wir zwar in einer völlig anderen Welt, doch statt von Daten und Reflexion, lassen wir uns auch weiterhin von Dramen und Instinkten leiten.
Gute Nachrichten und Informationen haben es also schwer. »Only bad news is good news«: diesen Leitsatz kennen viele Journalisten und überhäufen uns mit negativen Botschaften. Wer von der Welle des Al