Nachwort
Wann keine Thorheit mehr wird seyn /
So wird die Menschheit gehen ein.
Friedrich von Logau, Deutscher Sinn-Getichte
Wer je Hans Holbeins des JüngerenAltersbildnis im Rund des Erasmus gesehen hat, wird das Gesicht nicht mehr vergessen. Die in die Ferne gerichteten Augen sind lebhaft, auch wenn auf ihnen ein Schleier der Müdigkeit und Resignation liegt. Um die Mundwinkel spielt, trotz aller Bitternis, das Lächeln dessen, der weiß, dass die Torheit des Menschen nie enden wird. Und ebendiese fatale und zugleich segensreiche Macht wird, zur Person erhoben, in seinem berühmtesten Werk der tiefen Überzeugung des Humanisten Ausdruck geben, dass die Vernunft nur wenig Macht über die Wirklichkeit besitzt und dass das ganze Trachten und Treiben der Menschen wirr, närrisch und lächerlich ist.
1495 schreibt sich der sechsundzwanzigjährige Erasmus von Rotterdam für das Studium der Theologie an der Sorbonne ein; mit der Empfehlung Heinrichs von Bergen, des Bischofs von Cambrai, dem er als Sekretär gedient hatte, nimmt ihn das Collège Montaigu auf, eine Bildungsstätte für Studenten aus ärmlichen Verhältnissen. Die Begegnung mit den formalen Exzessen der Scholastik, ihren fruchtlosen Sophistereien, ihrer sterilen Logik und aufgeblasenen Terminologie wird ihn zu den ätzendsten und grimmigsten Partien imLob der Torheit inspirieren. Neben dem Besuch der Vorlesungen unterrichtet Erasmus Privatschüler und sichert sich damit ein dürftiges Auskommen. Er veröffentlicht sein erstes Buch, einen dünnen Band, der ein inniges Gedicht mit dem TitelÜber die Geburtsstätte Jesu enthält. Zu seinen Schülern gehört William Blount, der künftige Lord Mountjoy, der ihn nach England einlädt. Kein anderes Land wird Erasmus je so von Herzen lieben. Mehrfach hält er sich zwischen 1499 und 1517 auf dieser Insel auf, verbringt dort insgesamt fünf Jahre und tritt in enge Freundschaft mit Thomas Morus, dem jungen Juristen und Philologen, der dieUtopia verfassen, zum Lordkanzler von England aufsteigen und den Märtyrertod sterben wird. Die Freundschaft mit Thomas Morus gehört zu den glücklichsten Erfahrungen im Leben des Erasmus.
Wie alle Humanisten aus dem Norden zieht es Erasmus nach Italien, das ein dreifaches kulturelles Erbe birgt: das heidnische Rom, das christliche Rom und die italienische Renaissance. Von 1506 bis 1509 hält er sich in verschiedenen Städten dieses Landes auf. 1506 erwirbt er sich in Turin den Doktorgrad in Theologie. In Bologna wird er Zeuge, wie der kriegerische Papst Julius II. triumphal in die Stadt einzieht. Das Schauspiel bleibt ihm als empörendes und schmerzliches Ereignis in Erinnerung und geht in zahlreiche seiner Schriften ein. Die pompösen Zeremonien, prunkvollen Gewänder und die verweltlichten Predigten der römischen Kirche widern ihn an. Erasmus lehnt den weltlichen Machtanspruch der Nachfolger Petri grundsätzlich ab. ImLob der Torheit(Moriae Encomium) macht er denn auch giftige Anspielungen auf den kriegslüsternen, altersschwachen Papst, der im Namen Christi Krieg führt.
Dieses sein ironisch-polemisches Meisterwerk entwirft er auf seiner Rückreise zu Pferd von Italien nach England. Früh im Juli 1509 hatte er Rom verlassen, Ende August war er, nachdem er in Löwen seine Reise unterbrochen hatte, auf der Insel angelangt. Als Inspirationsquellen nennt Erasmus im Widmungsschreiben die Ähnlichkeit zwischenmoria («Torheit») und dem Familiennamen seines AdressatenMorus sowie die Empfänglichkeit seines Freundes, einesDemocritus redivivus, für derartige«ioci nec indocti nec insulsi» («nicht gehaltlose und fade Scherze»). Aus einem Brief an den Löwener Theologen Martin Dorp, der bedauert hatte, dass Erasmus kein «Lob der Weisheit» geschrieben habe, erfahren wir, dass der Humanist die auf seinem Ritt über die Alpen konzipierten Gedanken g