Mia hat deutsche Wurzeln, ist weiß und konfessionslos, Fatimas Familie kommt aus der Türkei und ist muslimischen Glaubens. Patrik hat kongolesische Eltern und ist blind. David ist gehörlos, Marc hat zwei Mamas und spricht drei Sprachen, Janines Mutter ist alleinerziehend und hat wenig Einkommen. Nicht jedes dieser Kinder ist in Deutschland geboren, und doch besuchen sie gemeinsam eine Klasse. Alle Kinder bringen eine eigene Lebenswelt mit. Sie wachsen in Patchworkfamilien oder Ein-Eltern-Haushalten auf. Sie haben eine weiße oder dunklere Hautfarbe, sprechen zum Teil eine andere Erstsprache als Deutsch, sind von Beeinträchtigungen betroffen, haben unterschiedliche Herkunftsländer oder Wurzeln und daran gebundene Erfahrungen. Können diese Kinder auch befreundet sein und unbefangen miteinander spielen? Ich sage ja, wenn Eltern entsprechend sensibilisiert sind. Dieses Buch erklärt, woran Offenheit oft scheitert. Es zeigt Ihnen als Eltern und Bezugspersonen Wege auf, Kindern in der Erziehung eine wertschätzende Haltung gegenüber Vielfalt zu vermitteln. Denn ob Sprache, Hautfarbe, Kleidung oder Beeinträchtigungen eine Rolle für Freundschaften spielen, hängt davon ab, was die Kinder in ihrem täglichen Umfeld, besonders von Eltern und anderen Familienmitgliedern, lernen, sehen und hören, ob sie Bücher lesen und Spielsachen haben, die Vielfalt zulassen.
Vielfalt beziehungsweise Diversität oder Diversity beschäftigt sich mit Eigenschaften und Merkmalen, die Menschen voneinander unterscheiden und gesellschaftliche Zugänge und Teilhabe bestimmen – auch schon bei Kindern.1 Für sie sollte es selbstverständlich sein, beispielsweise in der Schule gleich bewertet zu werden, unabhängig von der Herkunft. Dem ist aber nicht so. Menschen werden anhand dieser Merkmale von anderen praktisch »gelesen«. Welche Merkmale sind das? Marilyn Loden und Judy B. Rosener nennen in ihrem Diversity-Ansatz Hautfarbe, Alter, ethnische und kulturelle Herkunft, sexuelle Orientierung, physische Fähigkeiten, Geschlecht, Weltanschauung/Religion, Einkommen, Sprache, eigene Bildung und die der Eltern sowie Familienstand.2 Schon Kleinkinder speichern entsprechende Bewertungen über Merkmale ab. Erwachsene sind dabei nicht immer gute Vorbilder, denn sie können falsch liegen: etwa, wenn sie Schwarze Menschen3 auf Englisch ansprechen, weil sie aufgrund der Hautfarbe davon ausgehen, diese würden kein Deutsch verstehen. Als »asiatisch« gelesene Menschen erlebten in der ersten Phase der Covid-Pandemie 2020 Beschimpfungen und rassistische Diskriminierung vor dem Hintergrund der Annahme, alle, die »chinesisch« aussähen, seien eine Virengefahr.
Unsere heutige Gesellschaft in Deutschland wird vielfach als tolerant wahrgenommen, vor allem dann, wenn man mit seinen eigenen Vielfaltskombinationen Akzeptanz erlebt. Dennoch werden Kinder und Familien täglich diskriminiert. Schmerzhaft erleben sie, was Herabsetzungen mit ihrem Leben machen. Rassismus beispielsweise hat viele Gesichter. Er begegnet Betroffenen bei der Wohnungssuche, wenn sie aufgrund des Namens und ihrer Herkunft nicht für eine Mietwohnung in Betracht kommen, wenn sie bei Bewerbungen von vornherein aussortiert oder erst gar nicht eingeladen werden, wenn ihre Kinder geärgert werden oder offene Beschimpfungen aushalten müssen. Schon die Kleinen erleben, vom Spiel ausgeschlossen zu werden. Pädagogisches Personal, dem teilweise selbst das Bewusstsein für Diskriminierung fehlt, schützt sie nicht unbedingt. Schule und Kita können so zu einem andauernden Stressfaktor werden bis zu dem Punkt, dass Kinder und Jugendliche nicht mehr hingehen möchten und schon allein bei dem Gedanken daran Bauchschmerzen bekommen. Ob sie der vermittelten »Norm« entsprechen, wird Kindern mit zunehmendem Alter bewusst, wenn sie häufiger auf eine