: Stefan Heym
: Inge Heym
: Immer sind die Männer Schuld Stefan-Heym-Werkausgabe
: C. Bertelsmann
: 9783641278359
: Stefan-Heym-Werkausgabe, Erzählungen
: 1
: CHF 11.70
:
: Erzählende Literatur
: German
: 224
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
'Ein rührendes Hohelied auf die Liebe.' Hellmuth Karasek
Über weiblichen Instinkt, männliche Schuldgefühle und das Wunder einer Liebe, die im Alter jung geblieben ist - Stefan Heyms letzter Erzählband ist eine Liebeserklärung an seine Frau und an das Leben. Selbstironisch, heiter und voller Zärtlichkeit schreibt Heym über die Ehe und das Altern.

Stefan Heyms letzter heiter-selbstironischer Erzählband, bei C.Bertelsmann erstmals erschienen 2002, endlich wieder lieferbar in der digitalen Werkausgabe.

Stefan Heym, 1913 in Chemnitz geboren, emigrierte, als Hitler an die Macht kam. In seiner Exilheimat New York schrieb er seine ersten Romane. In der McCarthy-Ära kehrte er nach Europa zurück und fand 1953 Zuflucht, aber auch neue Schwierigkeiten in der DDR. Als Romancier und streitbarer Publizist wurde er vielfach ausgezeichnet und international bekannt. Er gilt als Symbolfigur des aufrechten Gangs und ist einer der maßgeblichen Autoren der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts. Er starb 2001 in Israel. 'Immer sind die Männer schuld' erscheint im Rahmen dieser Werkausgabe erstmals als E-Book.

Immer sind die Männer schuld


Ich erinner mich noch. Da war eine Zeit, wo ich ein heiterer Mensch war und herumgelaufen bin mit leichtem Herzen oder zumindest ausgeglichen in meinem Geist; aber jetzt denk ich immer sofort, was hab ich schon wieder gemacht, der Fleck auf dem Hemd, wo kommt der Fleck her, es hängen doch genug saubere Hemden im Schrank, und die alte zerbeulte Hose, immer läufst du herum wie ein Schlump, besonders wenn wir wollen ausgehen, kannst du nicht selber auf dich achten; und in mir fängt etwas an zu wuchern, ich weiß nicht was, aber wenn ich erzähl davon meinem Freund, dem Professor Mendel, dem bekannten Seelenauseinandernehmer, sagt der, Das ist dein Schuldbewußtsein; wenn alles immer schiefgeht und sich verhakelt, muß einer doch daran schuld haben, und wer kann das sein nach Lage der Dinge? – Nur du. Und sowieso sind immer die Männer schuld.

Und ich spür wie mein Schuldbewußtsein immer mehr wuchert in meinem Innern, und ich sag mir, ich muss nachdenken wie ich’s nur fertigbringen möcht daß mir nicht immer alles danebengeht und die Menschheit mich liebt und respektiert, und besonders mein Weib. Und ich frag sie, was soll ich nur machen, Liebste, daß ich nicht völlig verkomm, ich bin doch früher ein richtig was man nennt ein patenter Mensch gewesen und hab dir ein Glück gegeben schon am frühen Morgen so daß deine Augen haben geleuchtet, aber jetzt ist das erste wenn du aufwachst dass du mir klagst über was ich wieder hab falsch gemacht die Heizung hab ich nicht abgedreht und die Milch nicht weggestellt in den Kühlschrank, aber immer wiesle ich rum in der Küche und tu wer weiß wie eifrig und stör dich nur.

Und ich versprech ihr, ich werd mich bemühen, wahrhaftig und bei Gott, und sie wird sehen, es wird alles besser, aber sie soll mir nicht immer die Schuld geben an allem, das halt ich nicht aus, lieber bring ich mich um.

Umbringen! ruft sie. Wenn einer sich umbringt in dieser Familie, dann sie, und wer wird schuld daran sein? – ich: keine Frau, Ost oder West, hält das aus, einen Mann, der nichts einsieht und seine Frau alles machen läßt und alles bedenken, und dann tut er noch nicht mal was sie ihm sagt sondern vollführt seinen eigenen Kokolores, und wer muß es ausbügeln? – sie.

Dabei lieb ich sie doch, das ist das Komische: Sie hat so etwas an sich, nur einen Blick manchmal oder eine Bewegung mit zwei Fingern über eine Stelle auf meinem Gesicht, ganz zart, und das Herz schmilzt mir über meinem Sonnengeflecht, und ich denk, sie ist doch die einzige welche eine Bedeutung hat für mich, und warum sag ich nur immer was ihr gegen den Strich geht, wenn ich nur wüßte wo der Strich verläuft bei ihr, damit ich mich verhalten könnt auf die richtige Art. Und ich denk, vielleicht fehlt mir was, ein Instinkt, oder ein Nerv, oder eine Chemie, welche mich könnten auf Kurs halten auf den Wogen des Lebens, damit ich nicht auf eine Klippe gerate und festsitz mit meinen guten Absichten, oder welche mir weisen den richtigen Weg von meinem Frühstück früh bis nach den Nachrichten abends, damit ich nicht irgendwohin stolper wo es nicht weitergeht zwischen meinen Problemen.

Mit dem Frühstück fängt es schon an. Wenn ich meine Semmel zerschneid fängt es schon an zu krümeln, bei mir aber nicht bei meinem Weib, und wenn ich reinbeiß in die Semmel, krümelt es noch mehr, und ich seh, wie sie wieder kuckt nach unten auf den Teppich, und ich bück mich sofort und fang an die Krümel aufzupicken mit meinen Fingern