Vorwort
Als Stefan Heym vor kurzem gefragt wurde, ob er gedenke, seine Autobiographie zu schreiben, erklärte er, dazu verspüre er noch keine Lust. Im übrigen könne, wer wolle, markante Erlebnisse, Begegnungen, Erfahrungen seinem schriftstellerischen Werk entnehmen.
Ohne Zweifel, Biographie findet sich in seinen großen Romanen, auf dem weiten Feld, das von denCrusaders (Der bittere Lorbeer) bis zumCollin reicht. Ganz Eigenes ist verarbeitet, hinter ironischem Augenzwinkern verborgen, imKönig-David-Bericht, in derSchmähschrift. Aber Heymsche Biographie wird deutlicher noch in einem umfangreichen publizistischen Werk, in streitbaren Schriften, Reden, Gesprächen. Da haben wir, typisch für diesen Mann, eine Zurücksicht ohne Vorsicht, eine unfrisierte Art, Auskunft zu geben.
In diesem Buch also steckt Leben, Charakter, aus diesen Seiten tritt das Profil eines wachen Zeitgenossen hervor. Heym ist lebendige Kritik seiner Zeit. Sein Leben ist Polemik im aufklärerischen Sinn sozial-revolutionärer Vorfahren: Was als das Bessere erkannt wird, im kleinen wie im großen, soll als Besseres auch etabliert werden, lieber heute als morgen, wenn es geht, sofort.
Stefan Heym war von Beginn an Erzähler und Publizist.Ich habe mich in das Gewühl des täglichen Kampfes begeben; wenn mir dabei die Krawatte verrutscht ist – nun gut,ich bitte um Entschuldigung. Was er im Sommer 1954 im knappen Vorspruch für eine erste Sammlung seiner Artikel und Reportagen notierte, gilt für den Chemnitzer Oberprimaner, der wegen eines politischen Gedichts 1931 von der Schule flog, ebenso wie für den Redakteur des New YorkerVolksecho, der sich mit den Nazis herumschlug. Kein touristischer Trip, sonderntäglicher Kampf war der Marsch mit der amerikanischen Armee quer durch Frankreich, über den Rhein, bis an die Elbe. Das Headquarter der 12. Armeegruppe zeichnet den Technical Sergeant Nr. 32 860259 mit der Bronze Star Medal aus für seine publizistische Arbeitunter direkter Feindbedrohung.
Ungeduld und ein Schuß Hoffnung zuviel auf rasche Entnazifizierung und Demokratisierung ließen ihn früh mit den Realitäten des beginnenden kalten Krieges kollidieren.KZ-Prozesse, über die er 1945 berichtet, finden noch heute statt … SeineCrusaders erzählen von einer Mission und markieren zugleich den Abschied von ihr.
Danach kommt der Abschied von McCarthys Amerika und wieder das Gewühl destäglichen Kampfes, als er 1952 in derDDR eintrifft. Hier fühlte er sich gebraucht, nützlich, als Geburtshelfer neuen Denkens und Handelns, da sah er sich anerkannt und weitgehend in Übereinstimmung mit den Zielen des Staates, dessen Bürger er wurde. Scharf beobachten, schreiben ohne Schnörkel, sich einen Kopf machen, das hatte er gelernt; eingreifen, sich einmischen, Veränderungen anregen, das war nach seinem Geschmack. Dieser Gesellschaft wollte er Sicherheit geben, Souveränität, mit ihr wollte er sich identifizieren können. Der wechselvolle Alltag diktierte ihm die Themen seiner Aufsätze, Anregungen, Polemiken in die Schreibmaschine, wenig Zeit blieb, die Krawatte geradezuziehen und sich feinzumachen für das offizielle Parkett. Er kümmerte sich ungeniert um die Besoldung von Krankenschwestern und die Mitbestimmung für kleine Angestellte. Im April 1957 schrieb er:Lieber hätte ich mich in den letzten Jahren ausschließlich jener Literatur gewidmet, di