EINLEITUNG
Die Republik in der Mitte Europas, die einstDDR hieß, ist im Begriff, zu einer Art Atlantis zu werden, einem Mythos, um den Gegner wie Freunde des verschwundenen Landes sich mühen, ob sie nun Kenner der Materie sind oder nicht, auf eine objektive Darstellung bedacht oder eher von Vorurteilen besessen.
Die Beschäftigung mit der Geschichte derDDR ist jedoch von mehr als akademischem Interesse; ihre Einflüsse reichen bis in die Gegenwart der nunmehr vereinten, aber immer noch von ihrer jeweiligen Vergangenheit geprägten Ost- und Westdeutschen; die Zeugnisse dieser Vergangenheit mögen den Heutigen helfen, die Zeit damals besser zu verstehen, aber auch die Courage zu erkennen, mit der einzelneDDR-Bürger es unternahmen, öffentlich zu vertreten, was sie für gut und richtig hielten.
Mein Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag hieß auch, daß ich die Gastrolle aufgeben mußte, die man mir in dessen Enquêtekommission zur Untersuchung der Geschichte derDDR angetragen. Vielleicht kann »Der Winter unsers Mißvergnügens«, neben andern Zwecken, auch als nachträglicher Beitrag zur Arbeit dieser Kommission dienen.
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Nach der Biermann-Affäre im November 1976 setzte ein Exodus vonDDR-Künstlern ein. Ich hatte Verständnis für sie, obwohl ich es für richtiger hielt, wenn irgend möglich im Lande zu bleiben und zu versuchen, ein jeder auf seine Weise, die Zustände zu verändern.
Unter denen, die da gingen, war einer der Prominentesten der Schauspieler Manfred Krug, selber Mitunterzeichner der Petition gegen die Ausbürgerung Biermanns. Auf ihn war ich seit seiner Übersiedlung ins westdeutsche Exil schlecht zu sprechen, weil er sein Tagebuch über Interna der Vorgänge dem Genossen Werner Lamberz, Mitglied des Politbüros, hatte zukommen lassen. Für mich bedeutete die Auslieferung an offizielle Stellen, von Informationen, wie sie in solchen Aufzeichnungen enthalten sein mußten, Verrat an Freunden und Gleichgesinnten, mit entsprechenden Folgen für diese.
Ich selber hatte an einem Projekt ganz ähnlicher Natur gearbeitet: einer täglichen Niederschrift meiner Gedanken, Erlebnisse und Begegnungen in den anderthalb Monaten zwischen der Biermann-Ausweisung und Weihnachten 1976 –, nur daß ich mein Manuskript, da ich es für zu riskant hielt, um es alsbald zu veröffentlichen, an vermeintlich sicherer Stelle aufbewahrte.
Narr ich, der ich nicht ahnte, daßIM Frieda, kaum daß ein paar Seiten aus meiner Maschine in den Papierkorb flogen, diese oder entsprechende Schnipsel in die konspirative Wohnung »Kurt« zu Oberleutnant Scholz von der HauptabteilungXX des Ministeriums für Staatssicherheit trug; wenig später dann beschafften sich die Genossen mit Hilfe eines Nachschlüssels, für dessen Herstellung unsre Frieda den Wachsabdruck geliefert hatte, das ganze Skript und kopierten es; mit dieser Kopie arbeiten meine Frau und ich jetzt.
Krug, das gestehe ich ihm zu, hatte nur bewußt und aus gutem persönlichen Grunde der Behörde abgeliefert, was mir dank meiner Sorglosigkeit wegeskamotiert worden war; und heute, etwa zwanzig Jahre nach dem Geschehen, geben wir nun beide unsre Manuskripte in Druck.
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Und nun zuIM Frieda.
Sie hieß tatsächlich Frieda; die Stasi bemühte sich gar nicht erst, nach einem phantasievollenIM-Pseudonym für die neue Haushaltshilfe bei Heyms zu suchen. In den Akten findet