: Aristoteles
: Erich Ackermann
: Aristoteles - Die großen Gedanken
: Anaconda Verlag
: 9783641283940
: 1
: CHF 8.40
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: Antike
: German
: 352
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein Einstieg in das Werk des großen Philosophen

Aristoteles hat wie kein Zweiter die Geschichte der westlichen Philosophie geprägt. Die Denker des Mittelalters schrieben anstelle seines Namens schlicht »der Philosoph«. Beinahe ungläubig macht heute die schiere Vielfalt seines Werks. Von Ontologie bis Zoologie, von Ethik zu Poetik, Wissenschafts- zur Staatstheorie hat sich der Universalgelehrte beinahe jeder Wissensdisziplin gewidmet. Der Herausgeber Erich Ackermann hat grundlegende Passagen aus der ganzen Fülle dieses Werks zusammengestellt und erleichtert mit kenntnisreichen Kommentaren den Zugang zu Aristoteles großen Gedanken.

Logik (Organon)


Der Beweis


Aller Unterricht und alles Lernen geschieht, soweit beides auf dem Denken beruht, aufgrund eines schon vorher bestandenen Wissens. Dies leuchtet jedem ein, wenn man die sämtlichen Wissenschaften betrachtet; denn man erlangt die mathematischen Wissenschaften auf diese Weise und ebenso jede andere Wissenschaft. Ebenso verhält es sich mit der Argumentation durch logische Schlüsse und durch Induktion; bei beiden geschieht die Belehrung aufgrund eines schon vorher bestandenen Wissens; bei der ersteren werden Sätze angenommen, wie sie bei allen Verständigen gelten; bei der letzteren wird das Allgemeine aus der Kenntnis des Einzelnen abgeleitet. Auch die Redner überzeugen auf gleiche Weise; entweder durch Beispiele, also durch Induktion, oder durch glaubhafte allgemeine Sätze, was eine Deduktion ist.

Man muss aber in zweifacher Weise ein Vorwissen haben; bei manchen Dingen muss man voraussetzen,dass sie sind; bei anderen muss man wissen,was das Ausgesagte ist; bei manchen muss beides vorhanden sein. So muss man schon wissen, dass von jedem Ding entweder die Bejahung oder die Verneinung wahr ist; bei dem Dreieck aber, was es bedeutet; und bei der Eins muss man beides vorher wissen, sowohldass sie ist, alswas sie bedeutet. Von diesen Bestimmungen ist uns nämlich nicht jede in gleicher Weise bekannt; manches lerntman kennen, wo man schon vorher etwas davon wusste, manches auf einmal, wie z.B. das, was unter einem Allgemeinen steht, welches man schon kannte. So wusste man schon, dass die Winkel jedes Dreiecks zweien rechten gleich sind; aber dass diese in dem Halbkreis eingezeichnete Figur ein Dreieck ist, erkennt man gleichzeitig mit der Durchführung einer Induktion. Von manchem geschieht das Lernen auf diese Weise und man lernt das Besondere nicht durch einen Mittelbegriff kennen; nämlich alles, was als Einzelnes ist und sich nicht auf ein Zugrundeliegendes bezieht. Ehe es aber vorgeführt wird oder der Schluss gezogen wird, findet ineiner gewissen Weise schon ein Wissen statt, in einer anderen Weise aber nicht. Denn wenn man nicht weiß, ob etwas überhaupt besteht, wie kann man da wissen, dass dessen Winkel überhaupt zweien rechten gleich sind? Vielmehr ist klar, dass man zwar so weit weiß, als man das Allgemeine kennt; dass man es aber nicht im vollen Sinne weiß. Wäre dies nicht so, so geriete man in die imMenon* dargelegte Schwierigkeit, dass man entweder nichts lernen kann oder nur das, was man schon weiß.

Diese Schwierigkeit ist also nicht so zu lösen, wie einige versucht haben, indem sie die Frage stellten: Weißt Du also, dass jede Zwei gerade ist oder weißt du es nicht? Bejaht man nun die Frage, so führen sie eine Zwei an, von welcher der Gefragte nicht glaubte, dass sie bestehe, also auch nicht, dass sie gerade sei. Sie lösen nämlich die Schwierigkeit in der Weise, dass sie behaupten, nicht