InhaltsverzeichnisKapitel Zwei»Ich bin neugierig (Cliff)«
Rick Daltons Stuntdouble, der sechsundvierzigjährige Cliff Booth, sitzt im Wartezimmer von Marvin Schwarz’ Büro im dritten Stock der Agentur William Morris und blättert in einer übergroßen Ausgabe desLife-Magazins, das der Agent für die Wartenden hat rauslegen lassen.
Cliff trägt enge Levi’s-Bluejeans und eine dazu passende Levi’s-Jeansjacke über einem schwarzen T-Shirt. Sein Outfit ist ein Überbleibsel aus einem Low-Budget-Motorradstreifen, an dem Cliff drei Jahre zuvor mitgewirkt hat. Schauspieler und Regisseur Tom Laughlin, ein alter Kumpel von Rick und ein Freund von Cliff (sie haben zusammenDie vierzehn Fäuste des McCluskey gedreht), hatte Cliff als Stuntdouble in einem Motorradfilm engagiert,Engel der Hölle für American International Pictures, in dem Tom die Hauptrolle spielte und Regie führte (der Film wurde schließlichAIPs Hit des Jahres). In dem Film spielte Laughlin zum ersten Mal die Rolle, durch die er zu einer der beliebtesten Popikonen des Kinos der Siebzigerjahre werden sollte, Billy Jack. Billy Jack war ein amerikanisch-indianisch-vietnamesischer Mischling, der sein Können in der Hapkido-Kampfkunst gerne an der gewalttätigen Biker-Gang demonstrierte, welche im Film als die Born Losers (eine Parodie der Hells Angels) firmierten.
Cliffs Aufgabe war es, die Stunts für eines der Gangmitglieder namens »Gangrene« zu machen, gespielt von David Carradines altem Kumpel Jeff Cooper, dem Cliff irgendwie ähnlich sah. Doch in der letzten Woche des Drehs kugelte sich Toms Stuntdouble den Ellbogen aus (und zwar nicht bei einem Stunt, sondern beim Skateboardfahren an seinem freien Tag). Also sprang Cliff in der ganzen letzten Woche der Dreharbeiten als Double für Tom ein. Am Ende der Billigproduktion, als man ihn vor die Wahl stellte, entweder fünfundsiebzig Dollar oder die Billy-Jack-Garderobe – inklusive Lederstiefel – mitzunehmen, entschied sich Cliff für das Outfit.
Vier Jahre später spielte Tom Laughlin in dem FilmBilly Jack für Warner Brothers und war enttäuscht davon, wie das Studio den Film vermarktete. Er kaufte sich die Rechte zurück und verkaufte sie dann portionsweise weiter – Bundesstaat für Bundesstaat, Markt für Markt, wie ein alter Schausteller. Laughlin mietete reihenweise Kinos und schaltete massig verlockend geschnitteneTV-Werbung, abzielend auf Kids, die nachmittags nach der Schule fernsahen.
Zusammen mit der Tatsache, dass er einen ziemlich starken Film abgeliefert hatte, machten Laughlins eigenwillige VertriebsmethodenBilly Jack zu einem der größten Überraschungserfolge in der Geschichte Hollywoods. Seitdem war Cliffs Look so eng mit dieser Legende verbunden, dass er sich etwas anderes ausdenken musste.
Während Fräulein Himmelsteen hinter ihrem Schreibtisch im Büro sitzt und Anrufe entgegennimmt (»Büro von Herrn Schwarz«, Pause – Pause – »tut mir leid, er ist gerade mit einem Klienten zugange, darf ich fragen, wer anruft?«), sitzt Cliff auf der bunten, unbequemen Couch neben ihrem Schreibtisch, das riesigeLife-Magazin auf seinem Schoß ausgebreitet, und blättert durch die Seiten. Er hat gerade Richard Schickels Rezension dieses neuen schwedischen Films gelesen, der die amerikanischen Puritaner samt medialem Fortsatz derzeit alle ganz schön in Unruhe versetzt. Nicht nur Johnny Carson und Joey Bishop, sondern auch alle Comedians von Jerry Lewis bis zu Moms Mabley zogen seinen eingängigen Titel mit Wortspielen durch den Kakao.
Von der Couch aus ruft Cliff Fräulein Himmelsteen hinter ihrem Schreibtisch zu: »Haben Sie von diesem Streifen aus Schweden gehört,Ich bin neugierig (gelb)?«
»Ja, habe ich, glaub ich«, sagt Fräulein Himmelsteen. »Soll ziemlichversaut sein, oder?«
»Laut desUS-Berufungsgerichts nicht«, klärt Cliff sie auf. Er liest direkt aus dem Magazin vor: »Pornografie ist ein Werk ohne heilbringenden sozialen Wert. Und Richter Paul R. Hays meint: ›Ob wir selbst nun