: Stefan Heym
: Radek Stefan-Heym-Werkausgabe
: C. Bertelsmann
: 9783641278458
: Stefan-Heym-Werkausgabe, Romane
: 1
: CHF 8.30
:
: Erzählende Literatur
: German
: 800
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Das faszinierende Porträt einer der charismatischsten Figuren der russischen Revolutionsgeschichte
Karl Bernhardowitsch Radek ist eine der schillerndsten Figuren der sowjetischen Geschichte. Selbst Revolutionär, Journalist und Politiker, gehörte er zu den führenden Linken in der polnischen und deutschen Sozialdemokratie. Als Emigrant in der Schweiz und in den Jahren der Oktoberrevolution war er Weggefährte Lenins. Er verkörperte das Pathos und die Tragik eines freiheitlichen Sozialismus, geriet in Konflikt mit dem stalinistischen Apparat und wurde 1937 Opfer der Moskauer Schauprozesse.

Stefan Heyms mitreißendes Porträt Karl Radeks ist sein Abgesang auf die Idee der kommunistische Weltrevolution. Bei C.Bertelsmann erstmals 1995 erschienen, ist der Roman nun als Penguin Taschenbuch endlich wieder erhältlich.

Stefan Heym, 1913 in Chemnitz geboren, emigrierte, als Hitler an die Macht kam. In seiner Exilheimat New York schrieb er seine ersten Romane. In der McCarthy-Ära kehrte er nach Europa zurück und fand 1953 Zuflucht, aber auch neue Schwierigkeiten in der DDR. Als Romancier und streitbarer Publizist wurde er vielfach ausgezeichnet und international bekannt. Er gilt als Symbolfigur des aufrechten Gangs und ist einer der maßgeblichen Autoren der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts. Er starb 2001 in Israel. 'Radek' erscheint im Rahmen dieser Werkausgabe erstmals bei C. Bertelsmann als E-Book.

1


Schön hatte er’s hier, der Genosse Fürstenberg: bewohnte eine Vorstadtvilla in Saltsjösbaden mit säulengeschmücktem Portal und hohen lichten Fenstern, mit Sicht auf das Meer, das unter dem blauen Frühjahrshimmel glitzerte, und auf der Terrasse vor dem Portal, den nerzverbrämten Hausrock um die schlanke Figur gehüllt, die Dame des Hauses, dem Besucher entgegenblickend, der noch immer keine Gelegenheit gehabt hatte, den Reiseschmutz sich vom Leibe zu bürsten.

»Gisa, meine Liebe«, sagte Fürstenberg, »ich bringe dir den Genossen Radek.«

Frau Gisa neigte den Kopf und lächelte. Radek stellte seine Bündel ab, ergriff Frau Gisas Hand und hauchte einen Kuß darauf. Eine Zofe kam getrippelt. Frau Gisa bewegte zwei Finger in Richtung der Bündel, »Zum Gästezimmer.«

»Wenn Sie sich frisch machen wollen, Genosse Radek«, sagte Fürstenberg. »Wir sehen Sie zum Five o’clock tea. Aber bitte nicht später.«

Radek seufzte. Da hatte er sich auf ein heißes Bad gefreut, mit reichlich Lesestoff; und schon wieder rief ihn die Pflicht, die revolutionäre. Aber Parvus, das war bekannt, liebte es nicht zu warten, und auf Leute, deren Wohn- und Kostgeld er zahlte, schon gar nicht.

Der Salon, fand Radek, nachdem er mit einer Verspätung, die sich in den Grenzen des Anstands hielt, die gewundene Treppe vom Obergeschoß herabgestiegen, war ebenfalls im Stil: Chippendale, oder etwas noch Früheres, und edle Stoffe, und auf einem goldverzierten Tischchen eine porzellanene Vase, auf welcher die Abbildung eines Rokokoschlößchens mit buntgekleideten Schäfern und Schäferinnen.

»Da sind Sie ja!« Fürstenberg trat auf ihn zu. »Alles nach Wunsch?« und führte ihn zu Parvus, der neben dem weißmarmornen Kamin stand, vertieft, wie es schien, in ein Gespräch mit Frau Gisa; Frau Gisa mußte ihn schließlich erinnern, »Der Genosse Radek!«

Parvus blickte auf, »Der Genosse Radek – ah ja!« und schob sich quer durch den Raum zu einer höchst dekorativ plazierten Sitzgruppe, in deren Zentralstück, einen mauvefarbenen Ohrensessel, er sich sinken ließ. »Was ist dieser Lenin ein ungehobelter Bursche!« beschwerte er sich sofort. »Tabu! Tabu wäre ich für ihn, sagten Sie doch, eh? Dabei weiß er nur zu gut, der Genosse Lenin, daß ohne mich und meine Aktivitäten er, und Sie, Radek, und die ganze Bagage noch jetzt in Zürich säßen und auf die Ankunft der Weltgeschichte warteten! Und woher, bitte, wird er die Rubel nehmen, der Genosse Lenin, für sich und seine Funktionäre und für seine Zeitungen, die er drucken lassen möchte, sobald er in Petrograd angekommen sein wird? Beantworten Sie ihm die Frage, Bruder Jakob!«

Parvus brach in eine Art Singsang aus. »Frère Jacques, frère Jacques! Payez vous? Payez vous? …

Frau Gisa lachte.

»Beantworten Sie’s ihm!« Parvus klatschte sich auf den Schenkel. Doch gab er Frère Jacques gar nicht erst die Chance, die geheimen Zusammenhänge zu enthüllen, sondern sprach selber weiter, mit einer großen, das Ehepaar Fürstenberg samt der Totale des Hauses umschließenden Handbewegung, »Hier sehen Sie nämlich, teurer Genosse Radek, meine Originalerfindung – die Geldwaschmaschine des Dr. Alexander Helphand, den ersten und einzigen, ursprünglichen und speziell für die Zwecke unserer Revolution angefertigten Apparat dieser Art: vorn schiebst du das blutige imperialistische Raubgeld des deutschen Außenministeriums hinein und hinten, Hokus Parvus Fidibus, entnimmst du ihm die sauberen revolutionären Rubelchen für