Vorwort des Autors zur Neuausgabe
Die letzte aktualisierte Version dieses Buchs ist vor siebzehn Jahren erschienen, ein Jahr nach dem Tod von Johnny Cash, nachdem die Originalausgabe zu seinem 70. Geburtstag 2002 veröffentlicht wurde. Das sind schon einige Jahre, und deshalb wird man ja wohl noch fragen dürfen, was inzwischen alles geschehen ist.
Ist die Bedeutung von Johnny Cash kleiner geworden? Wurde Countrymusik von HipHop zu Boden geworfen und bekommt keine Luft mehr? Ist Cash ein wenig in Vergessenheit geraten? Wurde ein Skandal aufgedeckt, der seinen guten Ruf beschädigt hat?
Keine Spur.
Im Gegenteil. Das Cash-Business läuft seit seinem Tod auf vollen Touren. Die Fans, die schon früher den Eindruck hatten, der Man In Black könne vielleicht sogar übers Wasser gehen, mussten ihre Meinung nicht ändern. Soweit ich weiß.
Allerdings wurde nach seinem Tod auch nichts veröffentlicht, was eine grundlegende Überarbeitung dieses Buchs oder ein neues Kapitel anlässlich dieser Neuausgabe gefordert hätte. Ist meine Meinung. Für diese 6. Auflage schreibe ich trotzdem ein neues Vorwort und habe Diskografie und Chronik aktualisiert.
Die Masse an neuem oder »neuem« Cash-Material ist groß, aber nicht ausreichend für einen Neubau dieses Buchs – alles, was nachgeschoben, ausgegraben, neu kommentiert, neu einsortiert, remixed oder auf T-Shirts gedruckt wurde, würde ich als Fußnoten bezeichnen, die dem zu Lebzeiten veröffentlichten Werk nichts Wesentliches hinzufügten. Selbst wenn einige dieser Fußnoten große Wirkung erzielten oder wirklich beachtlich sind. Auch in Bezug auf die Frage, ob Country inzwischen zwar nicht schöner, aber noch seltsamer geworden ist.
Beispiele für dies und das und auch den Raum, in dem sich diese Biografie bewegt: »Missing ol’ Johnny Cash« sangen 2015 seine alten Freunde Willie Nelson und Merle Haggard auf ihrem wunderbaren gemeinsamen AlbumDjango and Jimmie noch bei guter Laune, bald darauf starb Haggard an seinem 79. Geburtstag, und musste nicht mehr erleben, dass seine Ablehnung des Präsidentschaftskandidaten Trump keine Wirkung hatte. Der unverwüstliche Willie Nelson hatte schon 2008 einen Salut an Cash abgeschickt, als er im Video »My Medicine« des ebenfalls Marihuana verehrenden Rap-Superstars Snoop Dogg gastierte, der sich damit tief vor dem »real American gangsta« Cash verbeugte; seine Drohung an das berühmteste Symbol und Konzerthaus der Countrymusik, »Grand Ol’ Opry, here we come!«, konnte er jedoch leider nicht wahr machen. Vielleicht kannte Haiyti den Song von Snoop, als sie einen ebenfalls charmanten Track aufnahm, der unser Thema berührt: »Fahre sonntags durch mein Barrio, Johnny, Johnny Cash im Radio, Ferrari, rotes Cabrio«, singt die junge Deutschrapperin in »Barrio«. Während US-Punkveteran Jello Biafra, sowohl Country-Hasser wie Country-Kenner, ebenfalls 2020 seinen Dead-Kennedys-Klassiker »Nazi Punks Fuck Off« als »Nazi Trumps Fuck Off« neu interpretierte, ehe die Trump-Nazis mit dem Sturm auf das Kapitol den Abgang des Präsidenten verhindern wollten.
Was hätte Johnny Cash wohl über Trump gesagt? Woher soll ich das wissen. Aber ich halte es für so gut wie ausgeschlossen, dass Cash diesem Präsidenten und seinem Berg von Lügen, hasserfüllten Reden, Verachtung von Minderheiten, rassistischen Äußerungen, Ignoranz gegenüber Klima- oder Covid-19-Pandemie-Problemen auch nur irgendwie wohlwollend begegnet wäre. Eine interessante Frage ist auch, ob Trump versucht hätte, den alten Cash sozusagen in den Arm zu nehmen.