: Stefan Heym
: Kreuzfahrer von heute - Stefan-Heym-Werkausgabe - Nach dem amerikanischen Original vom Autor neu bearbeitete Fassung
: C. Bertelsmann
: 9783641278250
: Stefan-Heym-Werkausgabe, Romane
: 1
: CHF 9.00
:
: Erzählende Literatur
: German
: 1040
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
'Eines der besten und bedeutendsten Kriegsbücher.' Heinrich Böll
Als Kreuzfahrer gegen den Faschismus, der Europa und die halbe Welt zu erdrosseln drohte, waren die besten von ihnen ausgezogen. Amerikas junge Männer, die Ideale der Demokratie und der Menschlichkeit im Herzen, so landen sie 1944 auf dem europäischen Kontinent. Bald aber stellt die Demontage jeglicher Ideale durch Karrieresucht, Schieberei und Intrigen die jungen Helden vor unausweichliche Entscheidungen. Aufrechte Kreuzfahrer gegen den Faschismus oder käufliche Weiberhelden?

Stefan Heyms großer entlarvender Kriegsroman ist gleichzeitig eine schonungslose Abrechnung mit den vermessenen Ansprüchen der USA ihre Vormachtstellung in der Welt betreffend. Der Roman ist unter dem Titel 'Kreuzfahrer von heute' bei List Leipzig und unter 'Der bittere Lorbeer' bei List München 1950 erstmals auf Deutsch erschienen.

Stefan Heyms Werke erscheinen bei C.Bertelsmann in der digitalen Stefan-Heym-Werkausgabe und in einer Auswahl im Taschenbuch bei Penguin.

Stefan Heym, 1913 in Chemnitz geboren, emigrierte, als Hitler an die Macht kam. In seiner Exilheimat New York schrieb er seine ersten Romane. In der McCarthy-Ära kehrte er nach Europa zurück und fand 1953 Zuflucht, aber auch neue Schwierigkeiten in der DDR. Als Romancier und streitbarer Publizist wurde er vielfach ausgezeichnet und international bekannt. Er gilt als Symbolfigur des aufrechten Gangs und ist einer der maßgeblichen Autoren der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts. Er starb 2001 in Israel.

Zweites Kapitel


Sie kamen durch Isigny.

Die Kirche war ein Gerippe; und die Grabsteine ringsum waren von ihren Sockeln gestürzt.

Der Wagen fuhr nun langsamer, und Yates konnte gerade noch durch einen klaffenden gezackten Riß in der Mauer den Christus am Kreuz erblicken. Er sah die primitiv geschnitzten Rippen und den von Schmerz zerrissenen, fast viereckigen Mund. Der Christus hatte seine Füße und die rechte Hand verloren und hing nur noch mit der linken am Kreuz.

Yates war kein religiöser Mensch; zu Hause betonte er seine Neigung zu aufgeklärter Skepsis. Er glaubte, daß dem Weltensystem ein Sinn zugrunde liege, hauptsächlich, weil er selber glauben wollte, daß sein eigenes Dasein nicht nur einem Zufall zu verdanken sei. Die Sekunde jedoch, in der er den verstümmelten Christus von Isigny erblickt hatte, blieb nicht ohne Wirkung.

»Haben Sie ihn auch gesehen?« fragte er.

Auch Karen hatte ihn gesehen, denn sie antwortete sofort: »Er ist noch immer unser bester Gott – der einzige, den wir uns ausdenken konnten. Gott ist, was wir in ihm sehen.«

Und Bing fügte hinzu: »Der Ort wurde schwer umkämpft. Es ließ sich wohl nicht vermeiden. Sie hatten Scharfschützen auf dem Turm und hinter den Grabsteinen …«

Yates schwieg. Seit der Invasion war er dem Tod mehrfach knapp entgangen; er hatte sich nach Selbstaufgabe und Sicherheit in den Armen eines allwissenden, allmächtigen Gottes gesehnt; und dennoch wußte er, daß es außerhalb seiner selbst keine Zuflucht vor seinen Ängsten gab.

»Ein Gott, der sich nicht einmal selber schützen kann –«, er unterbrach sich.

Sie waren auf den Marktplatz gelangt. An einem der Häuser hing die Attrappe einer Uhr, daneben ein Schild, verwaschene goldene Buchstaben auf schwarzem, abblätterndem Grund:Auguste Glodin.

»Macht es Ihnen etwas aus, wenn wir hier halten?« fragte Karen. »Ich hätte gern meine Uhr reparieren lassen.« Sie fügte entschuldigend hinzu: »Aber ich möchte Sie nicht aufhalten.«

»Das geht schon«, sagte Yates.

Sie parkten am Straßenrand. Die Tür zu Glodins Haus war verschlossen. Bing klopfte. Noch einmal. Karen trat dicht zu ihm heran. Die jugendliche Rundung seines Kinnes, die Art, wie sein Haar hinten im Nacken wuchs, wie bei einem kleinen Jungen – sie war sich all dieser Einzelheiten plötzlich bewußt. Er lächelte sie an, und seine Augen leuchteten auf.

Yates gesellte sich zu den beiden. Er ergriff Bings Karabiner und schlug mit dem Kolben gegen die Holztür.

Schlurfende Schritte wurden hörbar. Die Tür öffnete sich langsam, und das Gesicht einer Frau wurde zur Hälfte sichtbar.

»Ist der Uhrmacher zu Hause?« fragte Bing. »Monsieur Glodin?«

Nun erschien der ganze Kopf. Forschende Augen, krumme Nase, faltiger Mund – alles in diesem Gesicht schien faltig zu sein. Ein Schimmer von Befriedigung glitt über das Gesicht, und die Tür öffnete sich weit.

»Seit Jahren halten wir unsere Tür verschlossen – entschuldigen Sie – eine Gewohnheit …«, sagte die Frau als Erklärung. »Es dauert schon seine Zeit, selbst um sich an bessere Zeiten zu gewöhnen. Man kan