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Aserbaidschan
31. Oktober, 12.05 Uhr
Inspektor Ulan Fawzi schaute durch die verdreckte Windschutzscheibe seines Wagens auf die schäbigen Gebäude und billigen Hotels der Innenstadt von Baku, die vor seinen Augen einen Tanz aufführten und langsam in sich zusammenfielen. Ein Haus nach dem anderen stürzte ein, als würden Kegel auf einer riesigen Kegelbahn nacheinander zu Boden geworfen.
»Zehn Minuten«, versprach der uniformierte Polizist am Lenkrad. »Vielleicht sogar noch weniger.«
Fawzi nickte abwesend und starrte auf die Gebäude. Die Illusion ihres Zerfalls faszinierte ihn immer wieder. Die glitzernde Mittagshitze, die sich auf der Windschutzscheibe spiegelte, verursachte dieses Trugbild. Es sah aus, als ob die Gebäude in einem gigantischen Wasserfall aus Stein und Glas die Straßen hinabstürzten.
Es war fünf nach zwölf, und in den Straßen und Geschäften von Baku wimmelte es von Menschen. Nur wenige beachteten den Streifenwagen, die beiden geschlossenen Lastwagen und den grauen Bus, die auf den Bina Airport zusteuerten, der fünfzehn Kilometer von der Hauptstadt entfernt war. Inspektor Fawzi saß im ersten Wagen, der den drei anderen vorausfuhr. Unter normalen Umständen wäre er in seinem Büro geblieben und hätte diesen Job seinem Vertreter überlassen, doch die Umstände waren alles andere als normal. Inspektor Fawzi hatte zwei gute Gründe, um persönlich dabei zu sein.
Erstens war der Flughafen ein Schmelztiegel von Korruption, bestechlichen Beamten und Taschendieben. Er musste dafür Sorge tragen, dass die zwölf VIPs, die gleich am Flughafen landen würden, ungehindert durch den Terminal geschleust wurden. Zweitens musste er für die Sicherheit der VIPs sorgen, und das war von noch größerer Bedeutung. Wenn Fawzi diesen Job gut machte, könnte er mit dem Dank des Premierministers und vielleicht sogar mit einer Gehaltserhöhung rechnen.
Der Inspektor dachte über seinen Job nach. Ihn begleiteten dreißig seiner besten Männer, die alle schwer bewaffnet waren. Zwei Dutzend Polizisten waren bereits seit dem frühen Morgen am Flughafen in Position. Sein größtes Problem lag noch vor ihm. Wenn sie heute Nachmittag durch das Ödland im Südwesten von Aserbaidschan zu ihrem Zielort in Schuscha fuhren, das zweihundert Kilometer von Baku entfernt war, musste er für die Sicherheit der VIPs sorgen. Die Straßenverhältnisse in dieser Gegend waren katastrophal, und es wimmelte dort von zwielichtigen Gestalten. Die Berge wurden von Banditen, Deserteuren und Gangstern kontrolliert. Fawzi war nicht dumm. Er wusste, dass sich der ihm anvertraute Job als zweischneidiges Schwert erweisen könnte. Es würde seiner Karriere schaden, wenn den Männern, die er beschützen sollte, etwas zustoßen würde.
Er musste dafür sorgen, dass alles reibungslos ablief, seine Gäste bequem reisten und die Wagen zügig ihrem Ziel entgegenfuhren. Oberstes Gebot war die Sicherheit der Gäste, die den ganzen Tag gewährleistet sein musste. Er konnte sich keine Fehler erlauben.
Als der Wagen die Izmir-Straße hinunterfuhr und links zum Flughafen abbog, bekam Fawzi Magenkrämpfe. Er ging im Geiste noch einmal die Liste der Sicherheitsvorkehrungen durch, die er ergreifen würde, damit die Kolonne Schuscha vor Einbruch der Nacht unbeschadet erreichte.
12.55 Uhr
Die Boeing 757 setzte mit quietschenden Reifen auf der Landebahn des Bina International Airport auf. Das Flugzeug fuhr zum Vorfeld, die Triebwerke verstummten, und eine fahrbare Gangway wurde schnell zum Ausgang gerollt. An Bord der Sondermaschine waren an diesem Nachmittag nur vierzehn Personen. Es waren Amerikaner, die gestern am Spätnachmittag vom Kennedy Airport in New York nach Heathrow in London geflogen waren, ehe sie nach Baku weiterflogen.
Als die erschöpften Passagiere die Treppe hinunterstiegen,